Gleichstellung in Kiel voranbringen!

Rede von Lydia Rudow, Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Gleichstellungspolitik, in der Ratsversammlung am 20. Juli 2017 anlässlich des Tätigkeitsberichts der Gleichstellungsbeauftragten

Wissenschaftler/innen der Fernuniversität Hagen haben 73 Großstädte der Bundesrepublik anhand ihrer Frauenanteile an kommunalpolitischen Führungspositionen sowie an den gesamten Ratsmitgliedern verglichen.

Kiel hat sich in dem Ranking im Vergleich zu 2013 um elf Plätze verbessert und landet nun im oberen Drittel auf Platz 19.

Maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir bei der Besetzung der Dezernate auf eine Erhöhung des Frauenanteils gedrängt haben. So haben wir in dieser Wahlperiode erfolgreich an die Spitze von zwei der drei neu zu besetzenden Dezernate Frauen gewählt. Mit nun zwei Frauen in der Verwaltungsspitze, die übrigens jeweils einvernehmlich durch die Ratsversammlung gewählt wurden, ist für uns der nächste folgerichtige Schritt, dass wir auch die noch zu wählende Stellvertretung des Oberbürgermeisters weiblich besetzen und künftig eine BürgermeisterIN in der Stadt haben.

Während wir also durch das konsequente Einfordern einer paritätischen Besetzung innerhalb der letzten drei Jahre den Frauenanteil der Dezernatsführung von 0% auf 50% erhöht haben, ist die Ratsversammlung mit 35% Frauenanteil keinesfalls gleichberechtigt besetzt und wir befinden uns im Städtevergleich im schwachen Mittelfeld.

Das Genderranking kommt diesbezüglich zu dem Schluss:

„Wenn die Politik den Frauenanteil in Kommunalparlamenten und auf kommunalen Spitzenpositionen in vertretbarer Zeit erhöhen möchte, bleibt als Maßnahme nur die gesetzlich festgelegte, verbindliche Quote. Schreibt man dagegen die Entwicklung der Ratsanteile von 2008 bis 2017 in die Zukunft fort, würde es noch 128 Jahre dauern, bis eine paritätische Besetzung kommunaler Ratsmandate mit Frauen und Männern erreicht wäre.“

Auch im Bericht der Gleichstellungsbeauftragten wird der geringe Frauenanteil in der Ratsversammlung benannt und weiter heißt es dort:

„Der Frauenanteil bei den Mitgliedern in Aufsichtsräten, Werkausschüssen und Verwaltungsräten ist jedoch nach wie vor in keiner Weise zufriedenstellend.“

Im letzten Hauptausschuss haben wir daher beantragt, die Zielgröße für den Anteil von Frauen im Aufsichtsrat der KVG bis 2021 von 30% auf 40% zu erhöhen, was faktisch der Entsendung einer weiteren Frau im Aufsichtsrat entspricht. Dieser Antrag wurde im Hauptausschuss zunächst aufgrund von Rechtsfragen zurückgestellt. Nachdem das Rechtsamt daraufhin schriftlich bestätigt hat, dass die Erhöhung der Zielgröße auf 40% zulässig ist, offenbarte sich durch die Ablehnung der anderen Fraktionen, dass anscheinend keine rechtlichen Bedenken, sondern die Vorstellung, künftig häufiger Frauen in Aufsichtsräte entsenden zu müssen, Angstschweiß bei so manchem Ratsherren auslöst. Zumal die Begründung – eine 40%-Quote sei bei einem Frauenanteil von 30% in der Ratsversammlung nicht einhaltbar – vorgeschoben wirkt, denn genau diesen Frauenanteil könnten die Fraktionen von SPD und CDU ja durch die Kommunalwahl im nächsten Jahr erhöhen, die Zielgröße bei der KVG ist ja erst bis 2021 zu erreichen. Die Ablehnung der Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat der KVG ist ein Schlag in das Gesicht all derer, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. „Die Hälfte der Macht den Frauen“ – das ist in Kiel anscheinend nicht gewollt.

Die Gleichstellungsbeauftragte weist in ihrem Bericht darauf hin, dass sich das Internationale Städteforum der Kieler Woche in diesem Jahr mit dem Thema „Gleichstellung und Geschlechterpolitik im gesellschaftlichen Wandel“ beschäftigt hat. Es war spannend zu sehen, vor welch unterschiedlichen Herausforderungen unsere Partnerstädte stehen. Spannend war in dem Zusammenhang aber auch, dass unser Oberbürgermeister, der vormittags noch das Grußwort auf dem Städteforum hielt, abends dann bei der Eröffnung der Kieler Woche die Bühne mit vier weiteren Männern betrat. Dass nicht einmal eine der fünf Reden von einer Frau gehalten wurde, löste auch bei so manchen Städtedelegationen Verwunderung aus.

So bleibt ein fader Beigeschmack.

Dass in der Programmgestaltung der Kieler Woche anscheinend keinem der beteiligten Akteure dieser gravierende Gegensatz zwischen Vor- und Nachmittagsprogramm aufgefallen ist, beweist, dass es leider immer noch an Sensibilität gegenüber Fragen der Geschlechtergerechtigkeit mangelt.

Die Arbeit des Referats für Gleichstellung bleibt daher weiterhin wichtig, auch nach 30 Jahren noch – an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Hoffen wir, dass es nicht wirklich noch 128 Jahre dauern wird, bis die Geschlechterverteilung in der Ratsversammlung die der Bevölkerung wiederspiegelt – 2018 haben wir Kommunalwahl, 2018 haben alle Parteien die Chance, endlich quotierte Listen und quotierte Wahlkreiskandidaturen aufzustellen – lassen Sie uns den Worten endlich Taten folgen. Ziel von uns allen sollte sein, dass wir Kiel beim nächsten Genderranking auf die vordersten Plätze katapultieren – jetzt ist die Chance dazu, wir haben es in den Händen, das zu schaffen.

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