Grüne Haushaltsrede 2019

Folgende Rede hat die Vorsitzende der Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Jessica Kordouni, am Donnerstag, 13. Dezember 2018, in den Haushaltsberatungen der Kieler Ratsversammlung gehalten:

Sehr geehrter Herr Stadtpräsident,

Liebe Freund*innen der offenen und demokratischen Gesellschaft,

Der Start in die Kommunalpolitik kann wohl nicht besser beginnen, als mit einem guten Haushalt. Was kann man sich als Jungpolitikerin mehr wünschen. Dennoch war es uns, der Kooperation, wichtig, unsere Anträge mit Augenmaß zu stellen.

Dass sich in dieser Stadt sehr viel bewegt, sieht man an den Investitionsmitteln, die mit über 100 Millionen Euro eine rekordverdächtige Summe ergeben. Kiel ist eine wachsende Stadt, das geht aus dem Haushalt ganz deutlich hervor. Aber nicht nur das. Auch der Wandel in dieser Stadt schlägt ordentlich zu Buche. Mobilitätswende, Digitalisierung, Demografischer Wandel, Migration, Wissenschaft- und Gründerstadt. Ich habe großen Respekt vor der Verwaltung, die sich diesen Herausforderungen stellen muss. Danke dafür!

Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir Menschen oder ganze Stadtteile nicht abhängen. Eine Stadtgesellschaft – eine sichere, lebenswerte Stadtgesellschaft – baut Brücken, bindet ein. Sie sorgt für eine gerechte Verteilung und Erreichbarkeit kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Angebote. Hier gibt es Ansätze und gute Ideen im Haushalt, aber eigentlich ist das noch nicht weitreichend genug. Kein Kino in Mettenhof, kein Theater in Elmschenhagen, massive Leerstände in der Einkaufsstraße von Friedrichsort, das kann es irgendwie nicht sein und hier müssen wir in den nächsten Jahren weiter arbeiten.

Ein Schlüssel für eine inklusive Stadtgesellschaft ist auch bezahlbares Wohnen. Für die Gründung der kommunalen Wohnungsgesellschaft wurden Mittel in Höhe von 10 Millionen Euro pro Jahr in den Haushalt eingestellt. Bezahlbarer Wohnraum ist ein Menschenrecht, liebe Leute! Mit dem Verkauf der alten Wohnungsgesellschaft hat die Stadt ihre Möglichkeiten, Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen erheblich geschmälert – und damit viele Kieler*innen im Regen stehen lassen. Diesen historischen Fehler werden wir mit der neuen kommunalen Wohnungsgesellschaft korrigieren. Das wird nicht von heute auf morgen gehen und ich hoffe nicht, dass die Bürger*innen auch in 20 Jahren noch unter diesem Fehler leiden. Wohnraum darf nicht zum bloßen Spekulationsobjekt verkommen, er gehört den Menschen! Auch deshalb ist es richtig, Mieten vor  Profitgier zu schützen.

Was dieses Jahr auch gezeigt hat – unverfänglicher Smalltalk über das Wetter ist nicht mehr möglich. Der Klimawandel ist menschengemacht und auch Kommunen müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Sonst heißt es bald nicht mehr „Schleswig-Holstein – Meer umschlungen“, sondern „Schleswig-Holstein – vom Meer verschlungen“.

Eine umweltfreundliche und nachhaltige Mobilität ist mit dem Klimaschutz untrennbar verbunden. Wir müssen den Menschen in dieser Stadt die richtigen Angebote machen, damit sie ihren Diesel oder Benziner in der Garage stehen lassen, oder sich erst gar keinen kaufen. Eines dieser Puzzleteile für eine zeitgemäße Mobilität im urbanen Raum ist die Stadtbahn. Dafür sind 300.000 Euro für die Planung im Haushalt eingestellt. Und dieses Projekt sollte passend zu seiner Bedeutung eindeutig Chefsache sein. Chefsache!

Es gibt inzwischen viele gute Beispiele die zeigen, dass Stadtbahnen erheblich zur Verbesserung der Lebensqualität in den Städten beigetragen. Ich selbst war im Sommer in Freiburg. Das hat wirklich Spaß gemacht. Eine verkehrsberuhigte Innenstadt mit breiten Fahrrad- und Fußwegen und Plätzen mit echter, hoher Aufenthaltsqualität. Autoverkehr und Busverkehr machen Lärm und Lärm bedeutet Stress. Und vor allem brauchen diese Verkehrsmittel zu viel Platz im Verhältnis zu den Menschen, die sie transportieren. Darum, liebe CDU, reichen Buslinien nie und nimmer an die Stadtbahn heran!

Ein weiteres Puzzleteil für eine moderne, emmissionsarme Mobilität sind funktionierende Fahrrad- und Fußwege. Dafür haben wir die Mittel um 250.000 EUR pro Jahr erhöht. In Kiel Fahrrad zu fahren, ist immer noch ein Abenteuer, ein unfreiwilliges; ich kann die Anzahl der Beinah-Kollisionen mit Fahrzeugen und Fußgängern gar nicht mehr zählen Fahrradwege sind mit verdeckten Blickachsen und parkenden Autos geradezu gepflastert. Anderswo hören Radwege plötzlich auf oder sind von vornherein nicht vorhanden. Mit dem Masterplan Fahrrad können diese und andere Fragen beantwortet werden. Darum wollen wir auch dafür 50.000 Euro in 2019 ausgeben, im ersten Schritt.

Rad- und öffentlicher Nahverkehr – wenn wir es schaffen, diese Fortbewegungsmittel für die Kieler*innen selbstverständlich zu machen, dann sind wir einer urbanen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts näher gekommen als je zuvor. Also her mit dem 1-Euro-Ticket! Wir Grünen werden da auch in den nächsten Jahren ordentlich den Finger draufhalten.

Ich lebe jetzt seit fast 14 Jahren in Kiel und die Entwicklung, die diese Stadt in der Kultur- und Kreativwirtschaft genommen hat, gerade in den vergangenen Jahren, hat mich positiv überrascht. Da überlegt man, wie alle anderen nach Berlin, Hamburg oder Stockholm zu gehen und plötzlich pfeift da so ein frischer Wind durch die Stadt. Daher ist es wichtig, dass wir Orte wie den Anscharpark, die Alte Mu und anderen kreative Hotspots unterstützen. Das tun wir mit dem Förderrichtlinien für Kreativzentren, mit Investitionsmitteln, aber auch mit einem Kulturfond, der freien Kulturgruppen helfen soll, die Hardware ihres Schaffens zu bezahlen.

Und dann gibt es in Kiel ein absolutes Novum, was ich dieser Stadt gar nicht zugetraut hätte: Wir konnten uns darauf verständigen, freischaffenden Künstler*innen bei ihrer Professionalisierung zu unterstützen. Wir fangen endlich hier an der Ostseeküste an zu begreifen, dass Künstler*innen keine Bittsteller*innen sind, sondern Teil unseres Wirtschaftsstandorts. Und nicht weil sie Profit machen, sondern weil sie durch ihre Arbeit dafür sorgen, dass Fachkräfte nach Kiel kommen. Denn eine agile Kunst- und Kulturszene macht Kiel jung, kreativ und dynamisch. Wenn wir das jetzt noch bei der Digitalisierung schaffen…

Heieieiei – Digitalisierung. Ich freue mich, dass wir mit Jonas Dageförde nun einen Chief Digital Officer haben. Mit ihm möchte ich dennoch nicht tauschen. Das liegt nicht an Kiel. Wir haben in Deutschland 20 Jahre lang die Digitalisierung verpennt. Schweden hat schon im Jahr 2000 eine digitale Strategie erstellt. Im Jahr 2007 konnte ich dort erleben, wie das geht mit dem digitalen Studium, mit dem digitalen Beantragen einer Aufenthaltsgenehmigung, mit der barrierefreien Übersetzung zwischen analoger und virtueller Welt. 20 Jahre.

Aber nun gut, jetzt fangen wir ja endlich damit an. Ein Blick in den Haushalt zeigt, dass das auch etwas kostet. Transformation kostet Geld. Aber wenn wir das jetzt nicht durchziehen, dann werden wir Anschluss an die Kieler*innen verlieren, die immer mehr und vollkommen selbstverständlich Dienstleistungen und Kommunikation über das Internet und ihr Mobiltelefon abwickeln.

Digitalisierung bedeutet, Kommunikationswege zu verkürzen und Beteiligung der Bürger*innen möglich zu machen. Das ist eine neue Art der Kultur, an der sich die Verwaltung und die Politik gewöhnen müssen. Und auch eine Reihe von Unternehmen. Wir wollen mit unserem Antrag zur digitalen Bürger*innenbeteiligung dem ein Stück entgegenkommen.

Stadtgesellschaft als Community denken. Stadtgesellschaft inklusiv. Stadtgesellschaft mit einem virtuellen Raum, in dem wir uns barrierefrei bewegen. Herr Dageför, wenn ich hier in den Rat blicke und die vielen jungen Ratsleute sehe, die mit digitalen Medien und Werkzeugen aufgewachsen sind, dann glaube ich, dass wir eine konstruktive gemeinsame Sprache finden werden, wie wir auch die Verwaltung für das digitale Zeitalter fit machen. Ich freue mich jedenfalls auf die Zusammenarbeit.

Transformation, Wachstum, Erneuerung, unsere Innenstadt. Ich greife dieses Beispiel auf, da ich zeigen möchte, dass Rückgang und Verfall nicht immer etwas schlechtes sein müssen. Ja natürlich ist der Anblick unserer Innenstadt traurig, aber machen wir hier Politik, um traurig zu sein, um den Kopf in den Sand zu stecken und andere dafür anzumeckern? Nein! Wir müssen die Potenziale erkennen und die Weichen für Veränderung stellen. Wir haben jetzt die Chance, neue Innenstadt und Ladenkonzepte direkt hier in Kiel auszuprobieren. Wir müssen die Köpfe zusammenstecken und uns ansehen, was andere gemacht haben. Das gilt auch für die ganze Stadt.

Einen kleinen Vorteil hat es ja, wenn man als Stadt oder Staat nicht mehr State of the Art ist, also nicht an der Spitze des Fortschritts. Man kann sich ansehen, was andere gemacht haben und wobei sie auf die Nase gefallen sind. Das ist übrigens das Gegenteil der norddeutschen Gemütlichkeit „Wir gucken erstmal und dann warten wir ab“. Fangen wir also an, Pläne zu schmieden und beenden  wir die Versuche, mit Einzelanträgen Reparaturen vorzunehmen, wo eigentlich Veränderungen angebracht wäre. Denn watt mutt dat mutt.

Da das Jahr 2018 sich dem Ende neigt, möchte ich zum Schluss nochmal der Verwaltung und allen Organisator*innen von Veranstaltungen in Kiel einen guten Vorsatz mit auf den Weg geben: Leute, Frauen gehören auf das Podium! Wir haben genauso viel Know-how wie die Männer, also gebt uns den Platz, der uns zusteht!

Ich jedenfalls freue mich auf ein konstruktives und produktives Jahr 2019.

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