Welcome-Center ohne Kommunikationskonzept: Wo ist der Wegweiser 4.0?

Von: Jessica Kordouni

Gestern wurde das Konzept für das neue Welcome-Center in die alte Hauptpost im Wirtschaftsausschuss vorgestellt. Mir persönlich hat vieles daran gefallen und man merkt, dass die Kreativen eine Menge Herzblut darin investiert haben. Optisch überzeugt das Welcome-Center mit wenigen Abstrichen auf voller Linie. Auch die Multifunktionalität ist zeitgeistig und gerade durch die Lage mitten in der Innenstadt absolut zu begrüßen. Soweit so gut.

Dennoch treibt es mich seit Tagen um, dass die gesamte Online-Kommunikation kein selbstverständlicher Teil des Konzepts geworden ist. Ich habe mit den entsprechenden Akteuren darüber gesprochen und auch im Ausschuss kritische Fragen gestellt, die ich an dieser Stelle noch einmal ausführen möchte.

Was ist in den letzten 20 Jahren passiert?

Ich möchte zu Beginn klar machen, dass das Ziel dieses Welcome-Centers ist, Menschen zu informieren und zusammen zu bringen. Wenn man sich im Schwerpunkt vornimmt, ein Informationsknoten zu sein, wirft das sofort die Frage nach der Kommunikation auf und damit die der Kommunikationstechnik.

In den letzten 20 Jahren hat das Internet massive Auswirkungen auf unsere Kommunikation genommen. Vor 10 Jahren sind dann auch noch das Smartphone und Social Media dazu gekommen, die noch einmal deutliche Veränderungen in unserem Verhalten und unserer Art Informationen zu beschaffen, herbeigeführt haben. Im Moment steuern wir auf den nächsten Entwicklungsschritt zu, nämlich dass wir mit Computern nicht mehr nur über eine Oberfläche agieren (also Dinge anklicken), sondern direkt im Raum. Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Sprachassistenten gehören dazu. Es wird zum Beispiel selbstverständlich werden, dass wir von einem analogen Plakat digitale Inhalte abrufen werden (AR). Die Fachhochschule Kiel hat hier auch schon entsprechende Projekte gezeigt. Genauso, wie wir während der Autofahrt den Bordcomputer nach dem nächsten Hotel fragen werden. Diese Techniken stecken zwar noch in den Kinderschuhen, doch Technologie entwickelt sich exponentiell, daher ist auch hier nochmal ein großer, plötzlicher auftauchender Technologiesprung ähnlich wie 2007 zu erwarten, der erneut Auswirkungen auf unseren Umgang mit Computern haben wird.

Um zu verstehen, was da eigentlich in den letzten zwei Jahrzehnten passiert ist, möchte ich etwas beispielhafter werden. Es wird ja gerade von älteren Mitbürger*innen gefragt, warum man das jetzt so machen müsse, das alte funktioniere doch auch. Diese Haltung kann ich sehr gut nachvollziehen. Selbst ich mit Mitte 30 erwische mich inzwischen dabei, dass ich bestimmte technische Entwicklungen schwerer nachvollziehen kann. Warum soll ich mit Sprachassistenten zu Hause mein Licht anschalten, wenn das auch mit dem Lichtschalter geht? Es ist mir wichtig zu betonen, dass die eine Technik die andere nicht ausschließt. Es wird weiterhin die Möglichkeite geben, sich von einer Person beraten zu lassen, auch wenn viele andere Menschen ihre Informationen aus dem Internet holen.

Wir müssen jedoch auch akzeptieren, dass es einen Großteil von Menschen gibt, die die digitalen Möglichkeiten schon längst für sich adaptiert haben. Die nicht in ein Restaurant gehen, weil die Front hübsch aussieht, sondern die vorher Bewertungen zum Restaurant im Internet lesen. Das finde ich relativ entscheidend für eine erfolgreiche, moderne Tourismusinformation.

Tourismus 4.0: Wegweiser im analogen und virtuellen Raum

Kurz und knapp gesagt, ist mit dem Internet und dem Mobiltelefon ein zweiter Raum neben unserer analogen Welt entstanden, den ich virtuellen Raum nennen möchte. Über diesen virtuellen Raum kommunizieren, arbeiten und recherchieren Menschen. Sie machen Bilder, die sie auf Facebook teilen. Sie empfehlen ihren Freunden ein Lokal. Sie verfolgen das Taxi, das sie bestellt haben, über eine Karte. Sie lassen sich die kürzeste Route mit dem Öffentlichen Nahverkehr anzeigen. Sie lassen sich alle Kultureinrichtungen in der Nähe ihres Standortes anzeigen und erwarten, dass Öffnungszeiten und Bilder dazu sofort abrufbar sind. Sie versuchen, noch ein günstiges Hotelzimmer in der Onlineversteigerung zu ergattern oder holen sich ein Zimmer von einem Privatanbieter auf entsprechenden Portalen. Ich könnte die Liste noch ewig lang fortführen. Wer in diesem virtuellen Raum nicht existiert oder die Wege zu den Informationen unnötig verkompliziert, der existiert für diese Menschen nicht mehr. Und damit nimmt sich Kiel den Anstrich, eine moderne, digitale Stadt zu sein.

Es geht mir nicht darum, dass wir für das Welcome-Center jetzt ein umfassendes Portal mit 20 Apps brauchen. Es bestehen bereits genug Angebote wie Navigationssysteme, Taxi-Apps usw. Mir geht es vordergründig darum, sich Gedanken zu machen, wie man diese Menschen richtig abholt, wenn sie aus dem Zug oder dem Kreuzfahrtschiff steigen und ihr Handy in die Hand nehmen. Mir geht es um eine Strategie, die Fragen klärt, wie wir mit allen Mitteln der Kommunikation (und dazu gehören für mich auch analoge Plakate), sowohl den analogen als auch den virtuellen Raum bedienen und den Kieler Gästen echte Wegweiser geben können.

Der Wegweiser ist die zentrale Aufgabe einer Tourismusinformation, daher gehört ein Kommunikationskonzept 4.0 zu einem Welcome Center.

Eine stationäre Tourismusinformation zu bauen, halte ich für absolut richtig. Wir leben in einer transformativen Zeit, in der es zwei Bedürfnislagen gibt. Eben diejenige, sich persönlich beraten lassen und diejenigen, die funktionale Informationen über das Internet und Smartphone erhalten wollen. Ein Kommunikationskonzept (also ein Wegweiser 4.0) macht sich Gedanken darüber, wie Kieler*innen und Gäste barrierefrei Informationen über Kiel erhalten, egal ob analog oder digital

Digital und modern bedeutet nicht, interaktive Elemente im Welcome-Center und Umgebung zu bauen, wobei das ziemlich nett ist, sondern es bedeutet vor allem und vordergründig, dass man Kiel auch im virtuellen Raum vollumfänglich erleben kann.

By the Way: Diese neue Kommunikationskultur wurde vor allem von Unternehmen aus San Francisco und unseren Nachbarländern aus Skandinaviengeprägt. Wenn wir etwas von unserer Partnerstädten lernen können, dann genau das.

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.