Wider das Vergessen – Erhalt des Marine-Untersuchungsgefängnis

Von Bettina Aust.

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Stadtpräsident, liebe Zuhörende,

die Gebäude des Marinegeländes in der Wik sind weitgehend erhalten. Im Zentrum steht die als Garnisonskirche errichtete Petruskirche. In unmittelbarer Nähe befindet sich die ehemalige Ingenieurs- und Deckoffiziersschule der Marine. Direkt am Anscharpark und ganz in der Nähe des Platzes, auf dem 1918 der Matrosenaufstand begann, liegt die damalige Marinearrestanstalt der Kaiserzeit, die im zweiten Weltkrieg zum Marine-Untersuchungsgefängnis um- und ausgebaut wurde.

In der Zeit des Nationalsozialismus haben im Marine-Untersuchungsgefängnis zahlreiche Gefangene auf ihre Todes-Urteile gewartet. Nur wenig ist über das Gefängnis und die Schicksale bekannt, auch in den Archiven und Büchern findet sich, bis auf Fotos, kaum etwas.

Ein in Kiel bekanntes Einzelschicksal ist das von dem damals 26 Jahre jungen Kieler U-Boot-Kommandanten Oskar Kusch, der u. a. wegen Feigheit vor dem Feind, Verschwörung und Hören von Feindsendern zum Tode verurteilt wurde.

Er musste 106 Tage in einer kleinen, düsteren Zelle im Keller des Gefängnisses ausharren und wurde am 12. Mai 1944 auf dem Schießstand in Altenholz bei Kiel-Holtenau (im Allgemeinen als Schießplatz Holtenau bezeichnet) durch zehn Gewehrmündungen erschossen.

Ein Beispiel, das für hunderte Marinesoldaten steht, die durch Hitlers Helfer in Kiel hingerichtet wurden.

Augenzeugenberichte von den Hinrichtungen gibt es nicht, aber aus dem „Merkblatt für die Unterbringung zum Tode Verurteilter und die Vollstreckung von Todesstrafen von 1941, welches explizit für die Vollstreckungen auf Schießständen ausgearbeitet wurde, lässt sich das ganze Grauen des damaligen, Menschen verachtenden Systems nachvollziehen.

Wenn man heute jedoch in der Wik spazieren geht, erinnert nichts mehr daran, dass die Nazis hier zum Tode verurteilte Marineangehörige inhaftiert hatten.

Das Gefängnis versteckt sich hinter verwildertem Grün und gerät in Vergessenheit.

Der Bau riecht muffig. Hinter dicken Holztüren verbergen sich kleine Räume, die ehemaligen Zellen der Matrosen. Im Keller findet man hinter schweren Türen aus Eisengittern Kettenringe an den Wänden und im Putz noch so manche Kratzspur. Besichtigen, um sich mit der Geschichte vor Ort auseinanderzusetzen, kann es die Öffentlichkeit allerdings nicht.

Und das in einer Zeit, in der aus Altersgründen kaum noch Überlebende Zeugnis von den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges abgeben können.

Zu einer lebendigen Stadtgesellschaft gehört es, solche Orte als authentische Erinnerungsstätten zu erhalten; als Denkmale gegen das Vergessen. Damit man die eigene Geschichte kennenlernen und von ihr lernen kann.

Das Thema wird in dem in diesem Jahr zu erstellenden Konzept „Erinnerungskultur“ aufgearbeitet und es steht im integrierten Stadtteilentwicklungskonzept Wik u.a., dass das ehemalige Marineuntersuchungsgefängnis sowie das sich in privater Hand befindende denkmalgeschützte Haus 3 zu erhalten sind.

Denn gerade die denkmalgeschützen historischen Backstein-Gebäude des ehemaligen Marine-Garnisonslarzaretts, die bislang restauriert wurden, sind zu einem altwürdigen Kieler Kleinod mit faszinierender Vergangenheit behutsam zu neuem Leben erwacht.

Ich bitte deshalb um Zustimmung unseres Antrages (Drs. 1172/2021).

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