Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Kolleg*innen,

die Diskussion über die B 404 haben wir oft genug geführt. Im Moment stehen aufgrund des Briefes des Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) zwei Fragen im Mittelpunkt:

  1. Brauchen wir auch beim Ausbau der B 404 zwischen Wellsee und Barkauer Kreuz als Bundesstraße Ausweichstrecken und
  2. wie ist es mit der Finanzierung beim Ausbau als Bundesstraße?

Zu Punkt 1:

Wir haben in Deutschland ein Grundgesetz, zu dem sich sicher alle von uns bekennen, und den meisten hier nehme ich dieses Bekenntnis auch ab. Es gibt hohe Hürden für dessen Änderung, einige Teile kann man gar nicht ändern, und das ist beides gut so.

Dann haben wir Gesetzes des Bundes und der Länder. Die sind einzuhalten, aber man kann diese Gesetze auch mit einfacher Mehrheit ändern.

Und dann gibt es eine „Richtlinie zur Anlage von Landstraßen“ (RAL). Ihr Herausgeber ist die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in Köln. Die RAL kann von Behörden kontextabhängig für verbindlich erklärt werden, zum Beispiel im Rahmen von Ausschreibungen. Dies wäre eine Verwaltungsentscheidung, die auch durch Verwaltungsentscheidungen geändert werden kann.

Dass die RAL bei starkem Verkehr Ausweichstrecken vorsieht, kann in manchen Fällen auch sinnvoll sein, zum Beispiel wenn eine B 5 an der Westküste über rund 100 km durchs Land führt. Dann sind hohe Geschwindigkeitsdifferenzen zu vermeiden (zum Beispiel zwischen einem langsamen Trecker und schnell fahrenden PKW), weil sie gefährlich sein können. Und es ist zu vermeiden, dass ein mit 40 km/h fahrender Trecker 20 km auf der Straße ist und eine halbe Stunde den Verkehr blockiert.

Aber alles das ist hier nicht relevant: Wir reden über rund 1500 m, auf denen die Geschwindigkeit aller Fahrzeuge bei Annäherung an das Barkauer Kreuz ohnehin reduziert werden muss. Da behindern die zwei Trecker am Tag nicht, und sie erzeugen auch kein Gefahrenpotenzial.

Wir als Grüne bekennen uns zum vierspurigen Ausbau zwischen Wellsee und dem Barkauer Kreuz. Dies ist ein Kompromiss. Er gewährleistet alles an Verkehrsleistung, was die IHK, manche Anwohner*innen im Kieler Süden unter anderem fordern, auch die Erneuerung der schon in die Jahre gekommenen Brücke über die Eisenbahn. Aber wir wünschen dies als Bundesstraße, und nicht als Autobahn, weil die Autobahn gegenüber der Bundesstraße keine zusätzlichen Vorteile bringt, 20 Millionen Euro mehr kostet, massive Eingriffe in den Grüngürtel erfordert und die Anwohner*innen belastet, unter anderem weil sie die Bewohner*innen im Grünen Herz durch den Wegfall der Bushaltestelle Spolertstraße vom ÖPNV abhängt.

Da gerade eine Bundestagswahl ansteht, wird mal wieder viel über Bürokratieabbau geredet. Wenn man sich hinstellt und sagt, „Da gibt es eine Richtlinie, und die muss man einhalten, weil es eine Richtlinie ist“, ohne auch nur für 10 Sekunden seinen Verstand einzuschalten um darüber nachzudenken, ob deren Anwendung denn im gegebenen Fall sinnvoll ist, dann ist das eine Form von Bürokratie, und die sollten wir ganz schnell abbauen.

Es bleibt die Frage der Finanzierung, also Punkt 2. Da gibt es das Rundschreiben Straßenbau 22/1971, verfasst in 5300 Bonn 1, schreibmaschinengetippt und mit allen Betragsangaben in Deutscher Mark. Dort ist festgehalten, dass der Bund bis zu 50 % der Kosten von Bundesstraßen in Städten wie Kiel übernehmen kann. Aber es hat schon mindestens einen Fall gegeben, 2005 in Bremerhaven (man könnte nach weiteren recherchieren), wo der Bund zugesagt hat, die Kosten einer innerörtlichen Straße komplett zu übernehmen, und das, obwohl es nicht einmal eine Bundesstraße war.

Wenn der Bund also will, kann er mehr Kosten übernehmen. Und er müsste daran auch hier in Kiel ein Interesse haben, denn er kann sich dann 20 Mio. € für die Nebenstrecken sparen. Dass dazu kurz vor der Bundestagswahl eine Staatssekretärin im BMDV, die wahrscheinlich in ein paar Wochen arbeitslos sein wird, keine maßgeblichen Zugeständnisse mehr macht, dürfte niemanden überrascht haben.

All dies zeigt, dass es sich lohnt, das Thema noch einmal in Ruhe zu betrachten. Dies sollten wir tun, wenn die Bundestagswahl vorbei ist, denn dann kann auch wieder sachorientiert an den Interessen der Stadt Kiel diskutiert werden. Genau dies beinhaltet unser Alternativantrag.