Es gilt das gesprochene Wort!

„Wie sich Paris neu erfindet“. „Ökologische und soziale Stadtentwicklung an der Seine“. So oder ähnlich titelten vor wenigen Jahren viele Zeitungen in Frankreich und ganz Europa. Bürgermeisterin Anne Hidalgo wollte ökologische Entwicklung mit sozialen Projekten verbinden. Das ist ihr gelungen. Und 2024 konnten die Olympischen Spiele in der Stadt, im Grünen, in der Seine stattfinden.

  • Im Kampf gegen Hitze lässt sie Wälder anlegen – mitten in der Stadt, vor dem Eiffelturm und vor dem Rathaus. Eigentlich eine verrückte Idee. Doch sie funktioniert.
  • Sie richtet ein Tempolimit in ganz Paris ein. Erzürnt sich mit vielen Autofahrern. Und macht die Stadt ruhiger und die Luft besser.
  • Schafft Leihfahrräder an – für 29 Euro im Jahr zu mieten.
  • Das Seine-Ufer, einst mit dem Charme einer Stadtautobahn wird Flaniermeile mit Stränden und Sportanlagen.
  • Die Olympischen Spiele in Paris lassen die Welt staunen.

Nun ist Kiel nicht Paris. Die Förde nicht die Seine. Die Holstenstraße nicht die Champs-Elysées

Kiel ist Kiel. Kiel ist bunt und lebenswert. Kiel ist ein Hafen für eine Million Kreuzfahrgäste im Jahr. Insgeheim wundern sich viele Kieler*innen, was die wohl hier wollen. Wir kennen schönere Flecken als unsere Innenstadt: die Kiellinie, Falkenstein, den Seefischmarkt, die Holtenauer und den Blücherplatz, unser Schauspielhaus und das Holsteinstadion, wenn Holstein spielt.

Und die Kreuzfahrtschiffe, die wie schwimmende Hochhäuser mitten in der Innenstadt liegen und ein bisschen „Weite Welt“ nach Kiel bringen und die Berufspendler*innen am Ostseekai und am Wall begrüßen. Für uns ein normales Stadtbild. Für Reisende, für zugezogene Menschen, für mich als Kind, wenn meine Eltern mit uns Kindern nach Kiel gefahren sind – beeindruckend!

Wenn Maklerinnen und Makler eher in die Jahre gekommene Häuser verkaufen wollen, schreiben sie gern: Das Haus hat Potenzial. Dann gibt es in der Regel viel zu tun.

Kiel hat auch Potenzial. Und bei uns ist es genauso: Es gibt viel zu tun.

Mit unserem Antrag zur Entwicklung von nachbarschaftlichen, sozialen Quartieren in Kiel wollen wir einen neuen Blick auf die Entwicklung unser Stadt richten. Wir wollen genauer hinschauen: Wo gibt es wirklich Potenzial, was schmückt die Stadt? Was können wir besser machen. Was braucht die Stadt als Ort, was brauchen die Menschen, die hier leben, um sich hier wohlzufühlen. Um hier zuhause zu sein. Um hier sicher und geborgen zu leben. Um nicht allein zu sein. Um in Würde alt zu werden. Um Spaß zu haben,  um zu lernen, zu forschen und vielleicht eine Familie zu gründen. Leben in Kiel!

Stadtentwicklung: Wir denken nicht in Steinen und Asphalt. Wir denken an Menschen und Bäume. An Begegnung, an Geborgenheit. An Kinderspiel und Weltklassehandball. An ein tolles Schauspielhaus und großes Theater auf dem Fußballplatz – bei Holstein Kiel und in Ellerbek. Wir können hier in Kiel „klein und kuschelig“ genauso wie „Weltklasse“.

Wenn wir das alles schon so können, was soll dann der Antrag?

Es reicht eben nicht. Wie gesagt, Kiel hat Potenzial, das wir noch nicht ausschöpfen. Wir wollen das Gute, was wir hier haben, sichern und auch in Zukunft genießen können.

Wir wollen das nicht ganz so Gute, verbessern: einen besseren ÖPNV, mehr Aufenthaltsqualität in der Innenstadt, mehr Spielplätze, mehr Wohnungen für Menschen, die eben nicht reich sind, sondern ganz normal verdienen. Oder geförderten Wohnraum, für Menschen, die Unterstützung brauchen: Alleinerziehende, Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, die krank sind, und die eine Perspektive brauchen, ein festes Dach und Sicherheit. Wir nehmen sie in unsere Mitte. Kiel ist eine soziale Stadt. Dafür machen wir hier Politik.

Wir wollen das Wichtigste, was wir hier in Kiel haben, nämlich die Menschen, die hier wohnen und arbeiten, unsere Nachbarinnen und Nachbarn, unsere Gäste von überall, in den Mittelpunkt unserer Stadtplanung stellen.

Die Stadt, in der wir uns heute bewegen, ist ein Kind der 50er und 60er Jahre. Das alte Kiel war nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr da. Es lag in Trümmern. Stadtplanung war damals ein Neuanfang im Geist der damaligen Zeit. „Mobilität für alle“ war damals eine Vision der Zukunft. Kiel wurde vom Auto aus gedacht und neu entwickelt. Die Straßen sollten in die Zukunft führen, der Westring, der Theodor-Heuß-Ring.

Straßen können Stadtteile verbinden. Und sie können sie durchtrennen.

Wir wollen Verbindungen schaffen. Nicht für Autos, denn die bestehen schon.

Sondern für die Menschen, die hier leben.

Wir brauchen nicht mehr Autobahnen, sondern mehr „Schleichwege“, mehr „Trampelpfade“. Sie sind die ehrlichsten Verbindungen, denn sie zeigen, wohin die Menschen in ihrer Nachbarschaft wirklich gehen: querbeet an den Strand, durch das Gehölz, über den Innenhof.

Wir wollen Barrieren abbauen.

Und das können wir nur gemeinsam: zum Beispiel mit den Ortsbeiräten. Sie bilden die Vielfalt unserer Stadt ab. Die Ehrenamtlichen, die hier mitmachen, und die Bürgerinnen und Bürger, die sich einbringen, wissen am besten, was sie brauchen, um sich hier wohlzufühlen, zuhause. Sie kennen ihre Wege. Sie kennen ihre Schleichwege.

Der Ortsbeirat in der Wik hat sich schon auf den Weg gemacht, das Stadtviertel gemeinsam mit allen Interessierten zu verändern. Dort sind bereits Veranstaltungen geplant, bei denen Bürgerinnen und Bürger zusammen mit Expertinnen und Experten überlegen, wie sie ihren Stadtteil noch lebenswerter machen können. Ein tolles Beispiel für aktive Beteiligung!

Auch die Stadt hat den Anfang bereits gemacht: In der letzten Legislatur hat der Oberbürgermeister zusammen mit der Verwaltung, der Selbstverwaltung und einer Agentur gefragt, wie sich die Kielerinnen und Kieler ihre Stadt der Zukunft vorstellen. „Kiel 2042“ hieß dieses Projekt, bei dem 7.000 Menschen mitgemacht haben. In der letzten Ratsversammlung haben wir uns hier zusammen dafür ausgesprochen, die gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern und Fachleuten entwickelten Ideen weiterzuverfolgen. 

Heute wollen wir ein Zeichen setzen und die Idee einer „Stadt der sozialen, nachbarschaftlichen Quartiere“ konsequent und wo immer es geht, lebendig werden lassen.

Mit unseren Antrag wollen wir die Verwaltung unterstützen, das soziale Leben in der Stadt bei allen stadtplanerischen Maßnahmen, bei allen sozialen Unterstützungsangeboten, in Kultur, Schule, Gesundheitswesen, Sport, im Handwerk und in der Förderung von Betrieben, bei der Lösung von Klimafragen und dem Miteinander der Generationen besser zu machen.

Und wir fangen da an, wo es jetzt schon was zu tun gibt, wo Planungsbedarf ist, Angebote geschaffen werden sollen, wo Ehrenamtliche wissen, was in ihrem Bereich gebraucht wird – die ANNAs, die Anlaufstellen Nachbarschaft! Wir brauchen das Know-How der Ortsbeiräte und Sportvereine, um die Stadt Schritt für Schritt besser zu machen. Lebenswerter, geborgener, sicher.

Wir brauchen hier in Kiel nicht die „Autobahn“, wir sehen uns die „Trampelpfade“ und die „Schleichwege“ an. Sie führen zu den wirklich wichtigen Zielen. Sie sind die wahren Verbindungen von Menschen in der Stadt, in der Nachbarschaft – unsere Stadtplanerinnen und Stadtplaner wissen das.

Wir wollen zusammen mit der Verwaltung, mit Kielerinnen und Kielern in den Ortsbeiräten, in Foren und Beiräten und auch ohne feste Organisation im Hintergrund unsere Stadt zu einer Stadt der nachbarschaftlichen Quartiere weiterentwickeln.

Ich bin gespannt, wohin dieser Weg uns führen wird. Ob wir nun das „Paris des Nordens“ werden – das finde ich nicht so wichtig. Wir sind Kiel.

Wir wollen Heimathafen sein für alle, die hier gut und gemeinsam leben wollen.

Vielen Dank.