Beschluss der Kreismitgliederversammlung vom 7. Juli 2018

Beschluss – Recht auf Digitale Stadt

In Kiel formiert sich eine neue Kooperation zwischen Grünen, SPD und FDP, die starke digitalpolitische Akzente setzen will. Jetzt geht es darum, konkrete politische Initiativen zu starten, um die Digitalisierung zum Wohle der Bürger*innen umzusetzen. Dieser Antrag zielt auf eine starke grüne Position im Bereich der „Smart City“.

Neue Technologien sollen unser urbanes Leben einfacher machen. Verkehrsströme werden ausgedünnt. Der ÖPNV kommt zuverlässig und pünktlich. Parkplätze sind immer frei. Mülltonnen werden nur nach Bedarf geleert. Die Straßenlaterne geht aus, wenn wir nicht da sind. Gänge zum Amt sind überflüssig, weil das Amt online ist. Warenlieferungen werden durch Drohnen oder kleine Roboter erledigt. Insgesamt geht es darum, die knappen städtischen Ressourcen besser zu nutzen.

All das kann möglich werden, wenn wir die Straßen, Plätze und Wege unsere Städte mit Sensoren ausstatten, die Daten generieren. Diese Vielfalt der Datensätze muss, auch mit Hilfe künstlicher Intelligenz, ausgewertet werden. Der Markt externer Anbieter in diesem Bereich ist riesig. Google, Cisco, die Telekom oder IBM drängen in die Städte und statten sie mit Sensoren aus. Der vergoldete Traum einer „Smart City“ verspricht Milliardengewinne für international agierenden Technologiekonzerne.

Häufig ist das erste Angebot günstig oder sogar kostenlos. Aber mit jedem weiteren Sensornetz, das Datenströme in die Serverzentren der Konzerne pumpt, wird die Abhängigkeit von großen Monopolisten stärker. Zusätzlich sind Systeme von verschiedenen Anbietern meist nicht kompatibel zueinander. Die Stadt hat keine Kontrolle über die Funktionsweise der eingesetzten Technik. Erst recht hat sie keine Kontrolle über die generierten Datenströme. Ihre Digitale Souveränität ist gefährdet.

Die Privatisierung dieser neuen digitalen Infrastruktur hat gleichzeitig Auswirkungen auf alle anderen öffentlichen Dienstleistungen einer Stadt. Energieversorgung, ÖPNV oder Bürgerbeteiligung werden immer abhängiger von der IT-Infrastruktur. Das Entstehen einer derartigen Meta Infrastruktur verstärkt den digitalen Kontrollverlust zusätzlich. Barcelona hat diese Erfahrung in den letzten Jahren gemacht und geht einen vollständig anderen Weg. Die eingesetzte Technologie wird unter einer offenen Lizenz im Netzwerk mit anderen Städten selbst entwickelt. Es gilt der Grundsatz „Public Money, Public Code“: Mit öffentlichen Geldern finanzierte Software soll auch einen der Öffentlichkeit zugänglichen Quelltext besitzen. Was für die Software gilt, muss auch für die generierten Daten gelten. Alle Daten der Verwaltung sind offen, aufbereitet und der allgemeinen Nutzung zugänglich. Die Verwaltung arbeitet nach dem Ideal „Public Money, Public Data“.

Jede Technologie, die neu in einer Stadt eingeführt wird, braucht Regeln. Das galt für Pferdekutschen, Gasleitungen oder Autos. Es gilt auch für Sensoren und die daraus generierten Datenströme. Über neue Regelwerke hinaus erfordern sie jedoch eine ganz andere Arbeitskultur der Verwaltung. Das Handeln der Behörden vor Ort muss agiler und experimentierfreudiger werden. Eine auf die Einbindung der örtlichen Community ausgerichtete Netzpolitik setzt offene und transparente Formen des E-Government voraus.  

Langfristige Entwicklung braucht Geld. Auf kurzfristige Rendite ausgerichtetes Risikokapital ist hierfür nicht geeignet. Das Vergaberecht muss ein Werkzeug sein, das den öffentlichen Dienst auf Open Source und Open Standards umstellt. Kleine Unternehmen vor Ort müssen bei den hohen Entwicklungskosten offener Standards unterstützt werden, auch über EU Fördertöpfe. Ebenfalls sollten frei zugängliche kommunale Datenplattformen geschaffen werden, die von Unternehmen vor Ort genutzt werden können. Zusätzlich sollten alternative Finanzierungsformen wie Crowdfunding ausprobiert werden.

Mutige Städte, die alleine neue Wege gehen, haben es schwer. Das hat die versuchte Umstellung auf das Betriebssystem Linux in München gezeigt. Deswegen müssen sich Städte, die ihre Digitale Souveränität stärken wollen, zu Netzwerken zusammenschließen und ihre Netzwerke vor Ort nutzen. Freies Wissen wächst, wenn es geteilt wird. Offene Standards können ausgetauscht und über zugängliche Plattformen gemeinsam entwickelt werden. Zwischen Regionen, zwischen Städten, in Europa und der Welt.

Deswegen fordern wir für Kiel:

• Der Einsatz intelligenter Sensorik muss mit den Bürger*innen vor Ort, Maker-Spaces, Handwerk, Wissenschaft und anderen relevanten Akteuren z.B. in einer Digitalen Agenda gemeinsam konzipiert werden.

• IT-Kompetenz im Bereich der freien Software wird durch kleine und mittelständische Unternehmen in der Region gefördert. Hierbei werden neben Start-Ups besonders alternative Geschäftsmodelle wie Genossenschaften gestärkt.

• Zu digitalen Diensten muss es analoge Alternativen geben, damit niemand abgehängt wird.

• Mögliche Diskriminierungen oder Ausgrenzungen durch Gentrifizierung aufgrund von Smart-City-Konzepten müssen verhindert werden, indem die Konzepte im Verbund mit der sonstigen sozialen Stadtplanung entwickelt werden.

• Die eingesetzte Hard- und Software muss unter einer freien Lizenz stehen.

• Die generierten Daten müssen gut aufbereitet der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden. Prozesse und Systeme müssen transparent und nachvollziehbar gestaltet werden. Dies gilt vor allem bei Datenverarbeitung durch selbstlernende Systeme.

• Der Einsatz einer intelligenten Sensorik muss den Grundsätzen des europäischen Datenschutzrechts entsprechen. Jeder Einsatz eines neuen Prozesses sollte einer Datenschutzfolgenabschätzung unterliegen. Bedingung ist Privacy by Design, dezentrale Speicherung, Anonymisierung und abgestufte Berechtigungskonzepte für jeweilige Behörden.

• IT-Sicherheit steht an oberster Stelle. Eingesetzt werden die besten verfügbaren Konzepte. Es erfolgt eine regelmäßige Überprüfung durch Audits oder ähnliche Verfahren.

• Erfolgreiche Smart City Konzepte und Technologien werden aktiv gemeinsam mit anderen Städten und Regionen interkommunal, national, europäisch und weltweit entwickelt.

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