Rede zum Haushalt 2022

Von Anke Oetken

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Stadtpräsident,

Sehr geehrte Dezernent*innen,

Sehr geehrte Leute der Verwaltung, der Eigenbetriebe

alle Zuhörende,

Ratskolleg*innen.

Am Ende des Jahres blicken wir zurück und in der Haushaltsdebatte vor allem nach vorne.

Zurück blicken wir auf ein weiteres, herausforderndes Jahr. Es hat uns mürbe gemacht: die schwierige Jagd nach einem Impftermin, vorsichtige Lockerungen, neue Unsicherheiten im November und jetzt eine digitale Ratsversammlung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Landeshauptstadt Kiel findet eine Haushaltsdebatte nicht im Rathaus statt. Keine elektrisierende Stimmung im Saal, stattdessen Kabel und Monitore.

Klimakonferenz in Glasgow, Flüchtlinge in Belarus, rasant steigende Infektionszahlen, irritierende Demonstrationen weltweit gegen die Corona-Maßnahmen – Die Menschen sind es leid. Alle sehen zu, wie sie irgendwie mit den stetig wechselnden Situationen zurechtkommen, im Privaten, im Beruflichen. Und im Politischen. Kommunalpolitik bedeutet: kommunikationsfreudig sein, Menschen zu begegnen, Gespräche zu führen, Fehlende Begegnung macht es schwer, unterschiedliche Meinungen auszutauschen und reißt mehr Gräben auf, als sie zuschüttet.

Und so schlage ich den Bogen zu uns – zur Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel. Einer Stadt mit 246.390 Einwohner*innen, für die wir die Verantwortung tragen.

In dieser Verantwortung ist der Haushalt aufgestellt worden, dafür danke ich herzlich. Mein Dank geht an alle, die sich über das vergangene Jahr und auch heute für das Wohl der Stadt einsetzen.

Nun will ich meine Redezeit und die Debatte nicht von der FDP dominieren lassen, aber eines ist doch zu sagen: Haushaltskonsolidierung ist ein Querschnittsthema! Es sollte nicht über den strategischen Zielen der Stadt stehen. Und dabei sollte es bleiben! Wir sollten den Mammon nicht über Kinderrechte, Innovation und Klimaschutz stellen, um nur drei der fünf Ziele zu benennen. Warum nicht? Weil uns die Vernachlässigung dieser Punkte am Ende teuer, sehr teuer zu stehen kommt.

Die CDU hat das Ursprungspapier des Kämmerers recycelt, das längst Eingang in den Haushalt gefunden hat, und um ein weiteres Jahr verlängert: Sollten wir nicht erst einmal sehen, was uns das Jahr 2022 bringt? Und die ohnehin entstandene Unruhe innerhalb der Verwaltung noch weiter schüren? Auch hier, liebe CDU, sind wir in der Verantwortung.

Wir sind eine Innovative Stadt!

Für mich steht das Jahr 2022 im Zeichen der Stadtbahn: In dem Jahr wird entschieden, ob BRT oder Schiene. Das breit angelegten Verfahren beruht auf einer gemeinsamen Vereinbarung. Die Lenkungsgruppe aller Parteien wird zu einem Ergebnis kommen, das dem Rat der Stadt 2022 zum Beschluss vorgelegt wird. Wir wollen hier zu einem mehrheitlichen Ergebnis kommen, denn es bedarf einer großen Kraftanstrengung, 56 Millionen sind kein Pappenstiel.

Von der neuen Bundesregierung erwarten wir deutlichen Rückenwind für diese Aufgabe. Eingedampft auf machbare und Förderfähige 34,5 Kilometer starten wir in eine neue, zukunftsweisende und umweltfreundliche Mobilität.

Denn es ist nötig, dass wir Zeichen für die Zukunft setzen, etwas, das Kiel schon immer getan hat: Denken wir an die erste autofreie Einkaufsstraße der Bundesrepublik! Was für ein Signal, und alle haben es nachgemacht.

Ja, die Holstenstraße ist heute eher Sorgenkind als Freude, aber da sind wir nicht Vorreiter und vor allem nicht allein auf weiter Flur. Wo immer wir hinschauen, in allen Städten Deutschlands und darüber hinaus, dasselbe Bild. Und ich bin es leid, mir anhören zu müssen, dass es anderswo besser, schöner, schneller geht.

Wir nehmen uns andere Städte und Kommunen zum Vorbild, und andere Städte nehmen uns zum Vorbild. Letzteres wird gerne vergessen. Voneinander lernen, Zeichen erkennen und Zeichen setzen, im Austausch sein, das Rad nicht neu erfinden, wenn’s der Nachbar schon getan hat. Das bringt uns voran und deshalb sind Projekte wie die von Interreg, internationale Foren und Kulturaustausch so wichtig.

Wir sind eine kinderfreundliche Stadt!

Die Haushaltsanträgen der Kooperation, mit denen wir einige Folgen der Pandemie abmildern und ermutigende Zeichen setzen wollen, zeigen das. Ein Großteil der Gelder geht in die Bildung und Freizeit unserer Kinder und Jugendlichen.

Ermutigende Zeichen kommen auch aus dem Koalitionsvertrag: Die Kinderrechte sollen im Grundgesetz verankert und die Kindergrundsicherung eingeführt werden. Mit Anne Spiegel haben wir nun eine grüne Familienministerin: Endlich bekommt Familienpolitik einen grünen Anstrich, Kinderrechte werden durchsetzbar und Familien ernst genommen!

Wir sind eine Klimaschutzstadt!

Städte verändern sich! Und wie! Der Umbau der Holstenbrücke ist ein Gewinn für diese Stadt. Und es geht weiter. Um es aber klar zu sagen: Wir wollen niemandem etwas wegnehmen. Auch keinen Parkplatz – für ein Auto, das wirklich gebraucht wird. Aber es braucht Grundlagen, wie die Geschäftliche Mitteilung des Tiefbauamtes, die einen Umsetzungsvorschlag bis 2035 (!) vorlegte.

Und die hat für eine Menge Aufregung gesorgt! Dabei geht es doch nur um eine gerechte Aufteilung des öffentlichen Raums. Und dazu gehört auch, dass im öffentlichen Raum abgestellte Fahrzeuge viel öfter als bisher Geld kosten werden. Drohen die Grünen der „Heiligen Kuh“ der Deutschen jetzt wirklich mit dem Messer und den Menschen mit dem Ende aller Bequemlichkeit? Große Güte, es geht um Gerechtigkeit im öffentlichen Raum!

Ich empfehle allen: Setzen Sie sich einmal in einen Rollstuhl , um die Stadt zu erkunden. Bewegen Sie sich einmal auf der Höhe eines vierjährigen Kindes über die Straße., Oder versetzen Sie sich einmal in die Lage eines alternden Menschen, der versucht, auf zugeparkten Gehwegen den ohnehin beschwerlichen Weg zum Supermarkt hinter sich zu bringen. Auch eine Tour mit der Feuerwehr, zum Beispiel durch das Stinkviertel oder am Blücherplatz können zum Erlebnis werden, wenn illegal abgestellte Fahrzeuge den Weg zum Brandort verstellen. Wir müssen Lösungen finden für eine Stadt, die jahrzehntelang autogerecht gestaltet worden ist. Und wir werden Lösungen finden, Stück für Stück. In den Ausschüssen, Gremien und der Ratsversammlung.

Eine weitere Vorlage, diesmal aus dem Umweltschutzamt, hat das Zeug, für Furore zu sorgen. 240 Millionen Euro jährlich müsste die Stadtgesellschaft aufwenden, die genannten Maßnahmen müssten jetzt umgesetzt werden, um bis 2035 noch irgendwie Klimaneutralität zu erreichen: Das verschreckt. Die Auffassung aber, dass allein das Drosseln der eigenen Heizung und das Überdenken des Duschverhaltens hier ausreichen könnten, ist absolut von gestern! Hätten wir gestern schon begriffen, dass das nicht reicht, wir wären erheblich weiter. Und ja, ich teile die Auffassung, das auch jede*r bei sich im Kleinen gucken muss. Aber das Positionspapier damit „abfrühstücken“ zu wollen, das erschreckt mich zutiefst.

Für 2022 will die Verwaltung ein Maßnahmenpaket vorlegen, dem wir gespannt entgegensehen. Bündnis 90/Die Grünen werden diesen Weg konstruktiv und mit eigenen Anträgen mitgestalten. Dass es auch hier des Rückenwindes von Bund und Land bedarf, steht außer Frage.240 Millionen im Jahr, das ist – um einen Vergleich herzustellen – bei einer städtischen Gesamtinvestition von 120 Millionen, wie im Haushalt 2022 eingepreist, mal schlicht das Doppelte.

Und die Preise steigen, wie wir unlängst in der Sitzung der Schulbaulenkungsgruppe feststellen durften. Allein der Umbau einer einzigen Schule frisst den Etat des gesamten Schulbaukorridors, der im nächsten Jahr 32,1 Millionen Euro umfasst. Und es ist richtig, dass wir den Schulbau nach vorne gestellt haben, und es ist richtig, dass es dafür eine breite Zustimmung innerhalb der Ratsversammlung gibt. Bildung ist der Schlüssel zu allem! Und wer will, dass die von uns an guten Schulen ausgebildeten Kinder eine lebenswerte Welt behalten, der muss bereit sein, dafür noch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Das Geld ist da, es ist nur „woanders“. Gelder, die am Fiskus vorbei verdient, erschlichen und ergaunert werden. Ob wir Marktgiganten nicht oder nur unzureichend besteuern, ob wir Lücken im Gesetz lassen, die Cum-Ex ermöglicht haben, ob wir Drittstaaten mit Geldern füttern, die einzig den regierenden Despoten zugutekommen. Das meiste davon liegt außerhalb unseres kommunalen Wirkungskreises und es ist dennoch wahr.

Im Bund sind solche Dinge anzugehen, und vom Bund muss das Geld kommen, das wir für den Ausbau der klimaneutralen Investitionen benötigen.

Kiel ohne das Meer, ohne die Förde zu denken, verbietet sich. Wir hatten eine kleine Kieler Woche, die das Segeln – wieder – in die Stadt gebracht hat. Das hatte Charme. In Kiel sind viele Kompetenzen zum Thema Meeresschutz verankert. Kiel Sailing City mit seinen Forschungs- und Lehreinrichtungen, seinem Hafen und als Werftstandort – das alles ist auch Verpflichtung für Handeln und Werben für den Meeresschutz. Kiel ist mit all seinen Angeboten auf einem guten Weg, gleichwohl werden wir ab dem nächsten Jahr noch deutlicher auf das Thema hinweisen.

Verehrte Zuhörende, die Redezeit ist abgelaufen und ich bin nicht eingegangen auf unsere wunderbare Kulturlandschaft, auf die Wissenschaft , die Wirtschaft und Vieles mehr. Verzeihen Sie mir. Ich wünsche uns allen, dass die nächste Haushaltsdebatte mit Blickkontakt und direkter Reaktion stattfinden wird und verspreche, mich dann der anderen Themen anzunehmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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