Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Stadtpräsidentin, sehr geehrte Ratskolleginnen und Ratskollegen,

zuerst gratuliere ich Dir, lieber Gerwin, dass Du Deine wichtige Arbeit für Kiel fortsetzen wirst. Ich teile dieses Vertrauen und danke Dir für Dein Engagement für ein soziales Leben in unserer Stadt. Du bist für die Träger und Einrichtungen ein zuverlässiger Partner mit einem klaren Blick auf Probleme, kritische Entwicklungen in den Stadtteilen und auch auf Potenziale, die helfen, wieder aus der Not herauszukommen. Und Du bist für uns als Selbstverwaltung ein kluger, auch kritischer Ratgeber. Dafür danke ich Dir.

Sozialpolitik wird immer dann am meisten gebraucht – und von manchen auch dann erst entdeckt – wenn es Schwierigkeiten gibt. Ich möchte einen Satz von Albert Einstein zitieren, der auch mal in Kiel, am Ostufer, wirkte: „In der Mitte der Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten.“ Was heißt das für unsere Sozialpolitik?

Wir müssen dahin gehen, wo es Schwierigkeiten gibt, zuhören, hinsehen, nachdenken, handeln. Die Möglichkeit in der Schwierigkeit finden.

Das heißt für Gaarden:

Wir brauchen das Mehrgenerationenhaus Vinetazentrum. Es ist Anlaufstelle, Treffpunkt, Beratungszentrum, ein sicherer Ort für ein gutes soziales, interkulturelles und interreligiöses Miteinander – und eine Stütze für viele. Mit nur 5,2 Stellen! Die Mitarbeitenden kümmern sich um mehr als 100 Menschen am Tag. Man stelle sich das vor! Und sie leisten  eine großartige Arbeit. Es ist unsere Aufgabe, sie zu unterstützen, und dafür zu sorgen, dass diese Arbeit auskömmlich ist und bleibt.

Das heißt für Gaarden und auch für das Westufer – wir brauchen Drogenkonsumräume. Erst am Schützenpark, da sind wir schon weit in der Vorbereitung. Aber dann auch in Gaarden! Der Sozialbericht spricht eine eindeutige Sprache:

Eine Gruppe, die immer größer wird, erreichen wir nicht: die Menschen, die von Crack abhängig sind. Fast keine und fast keiner von ihnen (1,6 Prozent) findet den Weg zu den bestehenden Hilfsangeboten. Wir müssen zu ihnen kommen! Ein „Crack-Haus“ mit Angeboten und als Anlaufstelle, wie es jetzt erstmals in Frankfurt gibt, könnte ein Weg sein.

Der aktuelle Sozialbericht nennt knapp 3.000 Menschen, die im vergangenen Jahr Hilfsangebote angenommen haben, etwa 30 Prozent Frauen, 70 Prozent Männer, fast ein Drittel junge Menschen und fast jeder 10. älter als 60. Sucht betrifft alle Altersgruppen, jedes Geschlecht, alle Gesellschaftsschichten!

Und die Zahlen im Sozialbericht nennen nur die direkt Betroffenen. Hinzu kommen noch die vielen indirekt Betroffenen: die Partner und Partnerinnen, die Kinder, Freund*innen, Kolleg*innen, Eltern. Das Thema Drogen und Sucht betrifft die breite Mitte unserer Gesellschaft. Nicht nur Crack, auch Alkohol, Zigaretten, Medikamentenmissbrauch und all die anderen Substanzen. Und unter Jugendlichen: das Internet-Glücksspiel. Zugleich sind Süchte und Drogenkonsum häufig verknüpft mit anderen Sorgen: Psychischen Problemen, Arbeitslosigkeit, Armut der Eltern, Kinderarmut, Gewalterfahrungen, Obdachlosigkeit.

Unser Sozialbericht lenkt den Blick auf die Schwierigkeiten. Wir brauchen diesen klaren Blick und eine hohe fachliche Expertise und professionelle Angebote, um Lösungen und Hilfsangebote zu entwickeln, die bei denen ankommen, die sie brauchen.

Oder, mit Einstein: In der Mitte der Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten. Mitten im Leben und bei den Menschen.

Vielen Dank