Eine Woche ohne Plastikverpackungen – Der „Selbstversuch“

Der Antrag der Rathauskooperation „Kiel soll zum plastiktütenfreien Vorbild werden“ (Drs. 0721/2014) wurde am Donnerstag, den 18. September 2014, in der Ratsversammlung angenommen.

Wie schwierig es ist, heutzutage auf Plastikverpackungen zu verzichten, erfährt Martina Baum, umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN Ratsfraktion, in ihrem „Experiment“. Vom 18. September 2014 bis zum 25. September 2014 versuchte sie auf Plastikverpackungen zu verzichten.

Im Interview erzählt sie, wie sie ihre Woche erlebt hat.

Eine Woche ohne Plastikverpackungen, dass war das Ziel. Kann man denn heutzutage ein Leben ohne Plastikverpackungen überhaupt führen?

Wenn man genügend Zeit, Leidenschaft und Geduld mitbringt, kann man fast komplett auf Plastikverpackungen verzichten. Aber es gibt Bereiche, bei denen man scheitern muss. Dazu zählen hauptsächlich Hygieneartikel. Küchenrolle oder Toilettenpapier beispielsweise sind immer in Plastik verpackt. Mit Glück findet man diese Produkte in einer Kunststoffverpackung, die aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Die Entsorgung des sogenannten „Bioplastiks“ ist zwar auch problematisch, aber zumindest wird kein Rohöl verschwendet.

Was musstest Du an deinem Alltag umstellen?

Ich musste meine Einkäufe besser planen. Mein Biosupermarkt liegt zwischen meiner Arbeitsstelle und dem Rathaus. Normalerweise kann ich auf dem Heimweg noch schnell dort vorbeidüsen, die nötigen Besorgungen erledigen und dann weiter. Diese praktische Möglichkeit fiel diese Woche komplett weg. In jedem Supermarkt, ob Bio oder konventionell, kommt man an Plastik nicht vorbei. Die einzige Lösung war für mich der Wochenmarkt. Gestern morgen habe ich dort beispielsweise eingekauft und mein Korb mit Gemüse und Salat hat mich den restlichen Tag bei den verschiedensten Terminen begleitet. Als ich abend s zu Hause angekommen bin, waren meine Einkäufe ziemlich mitgenommen. Nach einem kurzen Kühlschrankaufenthalt ging es dann wieder, aber es ist eben aufwendig. Man muss sich langfristig Gedanken darüber machen, was man kochen möchte, und ob dass so einfach, mit den Zutaten, die einem zur Verfügung stehen, möglich ist. Ganz viel Spontanität geht verloren. Aber man wird sich seiner Bequemlichkeit auch bewusst.

In dem Antrag ist ja der vollkommene Verzicht auf Plastiktüten vorgesehen. Ist das nach deiner Erfahrung möglich?

Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Nehmen wir doch mal den Wochenmarkt als Beispiel. Dort werden diese dünnen Plastiktüten geradezu inflationär verteilt. Teilweise ist das auch sehr absurd. Eine Ananas wird in einer Kiste um die halbe Welt transportiert um schließlich in Kiel angeboten zu werden. Man sollte meinen, dass sie den kurzen Weg nach Hause im Korb überlebt, ohne massive Schäden davon zu tragen. Trotzdem wird sie in eine Plastiktüte gesteckt. Ich glaube, da ist ganz viel Gedankenlosigkeit dabei. Wahrscheinlich kann man nicht von jedem verlangen dass er eigene Behältnisse auf den Markt oder in andere Einzelhandelsgeschäfte mitnimmt, aber allein schon ein Verzicht auf Plastiktüten, der Gedanke „Ach die Tomaten kann ich ja jetzt auch einfach so in meinen Korb oder Rucksack reinlegen“ ist wichtig. Durch Aufklärung beider Seiten, Kunden wie auch Händler, kann schon viel Plastikmüll eingespart werden.

Wie ändert sich die Wahrnehmung gegenüber Plastik?

Massiv. Es beginnt schon morgens. Zahnbürste? Plastik. Zahnseide? Plastik. Im Supermarkt läuft man durch die Gänge und denkt nur: „Nein. Nein. Nein. Geht nicht.“. Ich war vorgestern Abend mal schnell noch beim Supermarkt um die Ecke um noch etwas für mein Abendbrot zu besorgen. Käse gibt es nicht ohne Plastikverpackungen, keine Chance, auch nicht an der Theke. Oder Dosen! Man glaubt sie würden sich für einen plastikfreien Vorrat eignen. Die sind aber auf der Innenseite auch mit Kunststoff beschichtet. Meine Sensibilität gegenüber dieser Kunststoffen ist noch größer geworden und ich werde auch in Zukunft auf solche Dinge achten.

Wenn es unmöglich ist, auf Plastik zu verzichten, wieso soll ich mir dann noch die Mühe machen, auf Plastiktüten zu verzichten?

Ein langfristiges „Weiter so“ wird es einfach nicht geben. Erdöl als wichtiger und endlicher Energieträger ist zu schade, um als Einwegtüte zu enden. Außerdem rückt die Entsorgungsproblematik immer näher an uns heran. Über sieben Millionen Tonnen gelangen jedes Jahr ins Meer. Das wird in einer Stadt an der Küste ziemlich deutlich. Man will Muscheln suchen und findet Plastik. Wenn die 82 Millionen Menschen in Deutschland nur halb so viele Plastiktüten verwenden, wie bisher, haben wir schon viele Tonnen an Plastikmüll gespart. Deutschland ist dabei alles andere als ein Vorreiter was das betrifft. Wir sind mit einer der Staaten, der am meisten Plastiktüten in Europa verbraucht. Italien hat Plastiktüten 2011 komplett verboten. In Irland gibt es seit über zehn Jahren eine Gebühr für Plastiktüten. Innerhalb dieser 10 Jahren habe sie mittlerweile 96% weniger Plastiktüten verwendet.

Wie geht es weiter mit dem Antrag?
Der Runde Tisch muss von der Verwaltung vorbereitet werden. Ich hoffe, dass wird schnell passieren, einfach um dieses Thema im kollektiven Gedächtnis zu behalten. Mit einem einzigen Treffen wird es aber nicht getan sein. Die Händler werden bestimmt Probleme aufwerfen, die wir noch gar nicht bedacht haben. Für die müssen natürlich Lösungen entwickelt werden. Generell setzen wir auf Einvernehmen, wollen positive Anreize schaffen und Alternativen vorstellen.

Was sind deine 5 Tipps um ganz privat Plastikmüll zu vermeiden?

  • Natürlich immer den Stoffbeutel dabei haben, dann klappt es auch mit dem Spontaneinkauf
  • auf dem Markt regional einkaufen, dort sind auch mitgebrachte Behälter kein Problem
  • im Supermarkt an der Theke einkaufen anstatt im Kühlregal zu zugreifen
  • Vorrats- bzw. Großpackungen kaufen
  • Augen auf! Häufig gibt es eine Alternative zu Plastik. Man muss manchmal vielleicht nur ein bisschen länger hinsehen

Ihre Erlebnisse in der Timeline:

24. September, 20:00 Uhr

Mein plastikverpackungsfreier Selbstversuch nähert sich dem Ende. Zum Vergleich: Diesen Müllsack voll Plastik hat mein Nachbar innerhalb einer Woche produziert. Der Vergleich ist natürlich nicht repräsentativ, aber macht doch ein wenig stolz…

Sack voller Müll
24. September, 16:00 Uhr

Mittlerweile bin ich extrem sensibilisiert gegenüber den kleinsten Plastikteilchen. Nicht nur bei Verpackungen im Supermarkt. Ein vermeintlich idyllisches Bild…entpuppt sich beim genauen Hinschauen als Wimmelbild für Plastikmüll.

park und see
plastikmüll
plastikmüll
24. September, 10:00 Uhr

Tag 7 meiner plastikverpackungsfreien Woche. Passenderweise widmet sich das fluter Magazin dem Thema Plastik.

www.fluter.de/de/139/thema/

Mittlerweile bin ich extrem sensibilisiert gegenüber den kleinsten Plastikteilchen. Nicht nur bei Verpackungen im Supermarkt. Ein vermeintlich idyllisches Bild…entpuppt sich beim genauen Hinschauen als Wimmelbild für Plastikmüll.

24. September, 10:00 Uhr

Mittwoch Morgen. Markttag. Pflichttermin für plastikverpackungsfreies Einkaufen.
Plastikfrei und Morgenmuffelei gehören nicht zusammen. Im Gegenteil. Gutes und strenges Zeitmanagement sind Grundvorraussetzungen. Zumindest wenn die Gleitzeit nicht bis 12.00 Uhr mittags geht. Für mich nicht unbedingt ein großes Problem, aber wer längere Anfahrtszeiten zu seinem Arbeitsplatz oder Kinder zu versorgen hat, eine Herausforderung.

Morgendlicher Markt

Und hier gibt es tatsächlich lose Butter! Ich hab‘ zwar noch, aber trotzdem gut zu wissen. Auch meiner Küche zuliebe.

Etikette von loser Butter

Biogurken ohne Plastikhülle? Gibt es! Und auch Antworten, wieso Biogemüse im Supermarkt meist in unglaublich viel Plastik verpackt ist. Sobald sowohl konventionell angebautes Gemüse und Obst als auch Biogemüse/-obst im selben Geschäft angeboten werden, ist der Händler verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher beide Anbauarten eindeutig unterscheiden kann. Im Moment kommen die meisten Händler dieser Verpflichtung durch Plastikverpackung nach.

Martina Baum an einem Marktstand
23. September, 19:00 Uhr

Plastikverpackungsverzicht bedeutet ja auch Verzicht auf Essen und Getränke „to go“. Das kann unter Zeitdruck natürlich schwierig werden, aber hat Vorteile. Hinsetzen, in aller Ruhe etwas essen, kurz durchatmen, den Blick schweifen lassen und Orte besuchen, an denen man bisher noch nicht war. Kann ich nur empfehlen.

Parkgelände
Innenraum eines Cafes
22. September, 21:00 Uhr

Nachdem ich heute keine Butter ohne Plastikverpackung kaufen konnte, habe ich beschlossen Butter selbst zu machen…also vor allem habe sehr viel Sauerei in meiner Küche gemacht und einen Blopp hergestellt, der wie Butter aussieht, aber wie Sahne schmeckt. Was soll’s wird seinen Zweck auf meinem Brot schon erfüllen

22. September, 15:00 Uhr

Jetzt einkaufen in der Holtenauer. Mal sehen, was ich alles bekomme…

einkaufszettel

Einkaufen im normalen Supermarkt ohne Plastikverpackungen ist eine echte Herausforderung. Das Rezept für mein Abendessen muss ans unverpackte Sortiment angepasst werden. Bei den Drogerieartikeln ist die Lage hoffnungslos. Der einzige Lichtblick: die Zahnpasta meiner Oma. Die ist in einer Metalltube. Allerdings mit Plastikdeckel. Begleitet werde ich heute übrigens von NDR 1 Welle Nord. Wahrscheinlich gibt es den Beitrag morgen zwischen 6:00 Uhr und 7:00 Uhr im Radio.

in Plastik verpacktes Gemüse

Viel Gemüse. In ganz viel Plastik.

In Plastik verpackter Salat


Grüner Salat ohne Plastikverpackung scheint auch ein unmögliches Unterfangen zu sein.

Käsetheke

An der Käsetheke scheitere ich. Die Verkäuferin darf mir den Käse nicht in meine mitgebrachten Dosen füllen, ohne ihn vorher in ein mit Plastik beschichtetes Papier eingewickelt zu haben. Hygienevorschriften. Dann eben heute keinen Käse.

Martina bezahlt an der Supermarktkasse

Auf meine Bitte hin, die Pilze lose auf der Kassenwaage zu wiegen, ernte ich zwar skeptische Blicke der Verkäuferin, sie kommt meinem Wunsch aber ohne Einwände nach. Fein!

Anders natürlich im Kieler Laden „Unverpackt“. Dort bekommt man viele Artikel lose und kann sie sich in mitgebrachte Behälter oder Säckchen abfüllen. Gerade in Bezug auf Grundnahrungsmittel beziehungsweise Unverderbliches kann ich mir vorstellen, dass das Konzept gut funktioniert und auch im Alltag machbar ist. Käse und Butter habe ich allerdings immer noch nicht…

Karton mit Altglas

Wer spontan einkaufen will, muss nicht unbedingt ein Gefäß im Laden erwerben, es gibt dort eine Glassammlung. Gute Idee. Glas lässt sich sehr einfach sterilisieren und wieder verwenden.

Kanister mit Flüssigwaschmitteln

Waschmittel, Spülmittel, Duschgel. Zwar immer noch in Plastik, aber wenn man bedenkt, dass in einen Kanister 25 Liter passen und das Standard-Duschgel 200 ml fasst, können damit immerhin 125 Duschgelflaschen aufgefüllt werden.

Martina Baum hält ihre befüllten Dosen in der Hand

Endlich wieder Kaffee. Dann schaffe ich es vielleicht auch, morgen früh Radio zu hören;-).

Mein heutiges Fazit zum Einkaufen: Schwierig. Ohne Spezialgeschäft wäre ich aufgeschmissen gewesen. Aber nicht jeder hat einen Laden, der ohne Verpackungen arbeitet, um die Ecke. Alternativ hätte ich wahrscheinlich noch einiges bei Einzelhändlern gefunden, das hätte aber ganz schön gedauert. Zeit und Mobilität scheinen mir im Moment die Voraussetzungen zum plastikverpackungsfreien Leben zu sein.

22. September, 11:00 Uhr

Plastikmüllvermeidung ist eine Sache, aber kreatives Plastikmüllrecycling eine andere… Das mit dem Bügeln muss ich noch üben, aber das Häkeln von in Streifen geschnittenen Plastiktüten geht ganz gut.

20. September, 21:00 Uhr

Wow…hier ein TAZ-Artikel über den Kieler Antrag zum Thema Plastikverpackungen vermeiden:

http://www.taz.de/Modellprojekt-in-Kiel/!146336/

20. September, 13.30 Uhr

Und noch ein schönes Fundstück vom Markt…… das Thema Vermeiden von Plastiktüten ist bei vielen schon abgekommen.

20. September, 13.30 Uhr

Einkaufen mit mitgebrachten Gefäßen war leichter als ich erwartet hatte.

19. September, 20:30 Uhr

FRUST!!! Ich bin gerade etwas fassungslos über die Inventur in meiner Küche…diese kleine Stichprobe ergibt, dass mindestens die Hälfte der von mir besessenen Lebensmittel in Plastik verpackt sind. Dabei hätte ich stets behaupten möchten, dass ich beim Einkaufen auf ökologische Aspekte achte. Morgen ist großer Wocheneinkaufstag bin mal gespannt, ob sich unsere Essenspläne ohne Plastikverpackung realisieren lassen, oder ob sich der Speiseplan der plastikverpackungsfreien Realität anpassen muss.

19. September, 09:30 Uhr

Ein aufmerksamer KN-Leser hat mich auf folgende Seite aufmerksam gemacht. Dort gibt es eine Petition gegen Einwegplastiktüten. Also mitmachen und unterzeichnen!

siebenwochenohneplastik.myblog.de

18.09.2014, 21:45 Uhr

Ich habe mich ein wenig vorbereitet für meine Plastikverpackungsverzicht und sagen wir mal dir Grundversorgung ist erstmal gesichert. Darf ich stolz vorstellen…meine ersten selbst gemachten Nudeln

18.09.2014, 18:30 Uhr

1. Akt des Selbstversuchs…Kaffee schwarz, wer’s mag, ich eigentlich nicht, aber im Rathaus gibt es nur Milch in Plastikdöschen. Ich geh‘ gleich mal Milch in einer Glasfasche kaufen.

18.09.2014, 18.20 Uhr

Hier meine Rede in der Ratsversammlung

17.09.2014, 16:00 Uhr

Plastiktüten – Ein kurzes Vergnügen

Schnell nach der Arbeit noch in den Supermarkt, Besorgungen erledigen. Milch, Reis, Wasser, Klopapier. Eigentlich nicht viele Einkäufe. Doch zu viele für nur zwei Hände. Wie das Problem lösen? Eine Tüte muß her. Schnell noch ein Plastiktüte aufs Warenband legen. Kurzes Zögern. Vielleicht doch einen Stoffbeutel mit schickem Supermarktemblem kaufen? Noch mal zurück und einen leeren Karton suchen? Papiertüte? Hält diese der Kilobelastung der Getränke stand? Zu viele ungeklärte Fragen, einfach die Plastiktüte nehmen.

Günstig, leicht, belastbar – ein wahres Vergnügen beim schweren Einkaufstransport. Aber ein kurzes Vergnügen.

In Deutschland werden laut Bundesumweltministerium jährlich 71 Plastiktüten pro Person verbraucht. Für Kiel allein bedeutet das jährlich einen Plastiktütenverbrauch von 17.040.000. Jährlich werden in Deutschland nach Schätzungen 6 Milliarden Plastiktüten verbraucht. Davon wird nur ein geringer Teil recycelt oder thermisch verwertet, etwa 90 Prozent landen auf Mülldeponien. Nach Angaben des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) findet weltweit rund 7,5 Millionen Tonnen Plastikmüll seinen Weg in die Meere. Bis sie sich vollständig zersetzt haben, vergehen je nach Kunststoff 100 bis 500 Jahre. Die gesamte Tierwelt ist betroffen: Vögel fressen unbewusst Plastikmüll, welcher nach Verwesung des Vogels unter dem Skelett liegenbleibt. Kleinste Plastikpartikel, die Fische bei ihrer Nahrungssuche verschlucken, gelangen in unseren Nahrungsmittelkreislauf.

Um dem entgegenzutreten stellen die Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Kiel, die SPD-Ratsfraktion und der SSW stellen in der Ratsversammlung am 18.09.14 den Antrag „Kiel soll zum plastiktütenfreien Vorbild werden“.

Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit den Kieler Einzelhändlern, den Plastiktütenverbrauch zu mindern bzw. den freiwilligen Verzicht auf Plastiktüten und Plastikverpackungen in Kiel zu erreichen. Begleitet wird der Antrag von einem „Selbstversuch“ der Grünen Ratsfrau Martina Baum, Doktorin der Biologie und Umweltpolitische Sprecherin der Grünen Ratsfraktion, eine Woche lang auf Plastikverpackungen zu verzichten.