Es gilt das gesprochene Wort!

In den letzten Jahren habe ich hier meistens gestanden und zum Schulbau gesprochen und oft auch meinem Frust Luft gemacht. Das tue ich heute nicht. Wir haben die Abteilung Bildungsbau, wir haben eingespielte Gremien und verlässliche Statusberichte aus dem Baufortschritt.
Wir haben eine Investitionssumme von 40 Mio Euro im Haushalt 2025 für Schulbau und eine bewundernswerte Umsetzungsquote von 83%. Damit sind wir von der Selbstverwaltung wirklich sehr zufrieden und es geht ein großes Dankeschön an den Oberbürgermeister und die Immobilienwirtschaft!
Mehr geht allerdings immer. Nicht zufrieden sind wir mit der finanziellen Gesamtsituation der Stadt Kiel und den fehlenden Fachkräften.

Wie ist die Ausgangslage bei Kindern und Jugendlichen, in Familien?

Die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Armut, geringem Bildungsstand, ungesunder Ernährung und mangelnder Teilhabe an Gesellschaft, an Kultur etc. sind eine Binsenweisheit.

Aber was heißt das eigentlich?

Das eine Kind geht morgens ohne Frühstück zur Schule, das andere bringt in die Kita zum Frühstück eine Packung Wurst mit und morgen eine Tüte Chips. Es gibt viele Kinder, die nicht an Theater, Museen oder Ausstellungen herangeführt werden. Sie werden das später allein schwerlich aufholen. Wir sprechen von Kindern aus Familien, in denen keine „Zeitung“ auf dem Tisch liegt, sei es analog und digital, wo Social Media der einzige Infokanal ist und dann auch bleibt. Es gibt immer wieder Kinder, die nicht wissen, das Kiel am Meer liegt, weil keine Ausflüge gemacht werden. Wer als Kind nie in einem Konzert war, kann sich auch nicht vorstellen, selbst mal Tuba oder Piccolo-Flöte zu spielen. Wer nicht die Chance hat, in einem Sportverein das Können zu erproben, wird allein schwerlich herausfinden, dass er/sie ein Tanztalent ist. Kinder, die nicht Radfahren und nicht schwimmen können gibt es immer wieder. Fähigkeiten, die in unserer Kultur eigentlich zur Allgemeinbildung gehören. Diese Kinder werden ausgegrenzt, zum Segeln im Camp 24/7 darf nur, wenn man schwimmen kann. Manche Kinder aus Fluchtfamilien, die vielleicht Mathe- oder IT-Cracks sind, die aber die Schule nur schwer schaffen, weil sie die Sprache nicht ausreichend beherrschen. Was für eine Verschwendung von Potential und von Begabungen!

Volkswirtschaftlich gesehen können wir uns das als Gesellschaft mit einem eklatanten Mangel an Fachkräften überhaupt nicht leisten! Abgesehen davon tut es einem um die Kinder leid.

Eltern, die auch schon schlechte Schulerfahrungen gemacht haben, werden ihre eigenen Kinder schwerlich unterstützen können. Währenddessen steigen die Hilfebedarfe dramatisch an. Siehe KN von Montag: Immer mehr Kinder brauchen psychiatrische Unterstützung. Das sind zum Teil Auswirkungen der Corona-Zeit, aber auch gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Zukünftig werden wir mehr und mehr in die Unterstützung von Eltern und Familien gehen müssen und ihnen bei der Erziehung zur Seite stehen.

Was tun wir? Was haben wir bereits finanziert und eingerichtet?

Die Landeshauptstadt Kiel leistet sich viele Programme, Unterstützung und Projekte für Kinder und Jugendliche. Und ich gehe jetzt bewusst auf diejenigen ein, die jenseits der klassischen Schulsituation vorhanden sind. Denn, die Kieler Bildungsregion hat vielmehr zu bieten als allgemeinbildende und berufliche Schulen. Eine Vielzahl von informellen Bildungsorten ergänzt die Bildungslandschaft und diese sind bis heute ein zum Teil ungehobener Schatz. Jenseits des Klassenraums sind praktische Erfahrungen mit „Kopf, Herz und Hand“ für die Kinder möglich und verstärken so die schulischen Lernleistungen. Insbesondere Kinder, denen das frontale Lernen und das lange Stillsitzen schwerfallen, können sich so in anderen Kontexten ausprobieren und Bestätigung erfahren.

Ein renommierter Stadtplaner hat neulich auf einer Veranstaltung zu „Kinderfreundlicher Stadtentwicklung“ gemahnt, dass Kinder in gerade in schwierigen Stadtteilen viel mehr solcher Orte brauchen, um sich unter Anleitung aber auch frei mit sich selbst (und ohne Handy), dem Wetter und der umgebenden Natur auseinanderzusetzen. Geologie kann bei einem Ostseeausflug an der Steilküste erkundet werden.
Für Landeskunde kann die Klasse ins Freilichtmuseum gehen. Im Biologieunterricht können die Kinder im Aquarium sehen, was ihnen beim Baden in der Ostsee so um die Beine schwimmt. Kenntnisse aus Mathematik, Biologie und Landwirtschaft können beim Imkern und im Umgang mit Bienenvölkern angewendet werden.
Und warum nicht mal den Physikunterricht ins Maschinenmuseum verlegen?

Viele solche außerschulischen Lernorte haben wir in Kiel schon: Musikschule mit Sozialermäßigung, kostenlose Busfahrkarten aus dem Programm „Kinder zu Kultur und Wissenschaft“, Stadtbüchereien mit tollen Projekten, Schulprogramm auf der Digitalen Woche, Strandfahrten, abwechslungsreiches Ferienpassprogramm, Weihnachtsmärchen im Theater, um nur einige Beispiele zu nennen.

Und wir haben einen Naturerlebnisraum (Nebenbemerkung: Lübeck hat 7 Naturerlebnisräume) für ganz Kiel. Der Naturerlebnisraum Kollhorst im Stadtteil Hasseldieksdamm arbeitet am Rande seiner Kapazitäten, sowohl personell als auch im Naturraum selbst. Viele Gruppen müssen abgewiesen werden oder dann lange Fahrzeit vom Ostufer in Kauf nehmen.

Warum einen „Raum zum Natur erleben“ nicht auch auf dem Ostufer einrichten? Der Interkultureller Garten der ZBBS bietet sich dafür an, ist aber viel zu klein und zu schlecht ausgestattet. Bisher gibt es nur etwas mehr als eine halbe Stelle für Natur- und Umweltbildung, so dass nur einige Einrichtungen dort hin und wieder betreut werden können. Daher unser Antrag zur Erhöhung der personellen Kapazitäten und zur Sicherung der Finanzierung des Interkulturellen Gartens der ZBBS.

Unser Antrag „Kulturelle Bildung stärken“ geht in die gleiche Richtung.

Meine Kolleg*innen aus der SPD werden dazu ausführlicher sprechen, genauso wie zu Schulbegleitungen und Schulsozialarbeit.

Ich bitte um Zustimmung zu unseren Anträgen.

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