Aktueller Stand Wahlgesetz: 8 Fragen 8 Antworten

Warum muss es überhaupt ein neues Wahlgesetz geben?

Die Grüne Fraktion hatte gemeinsam mit dem SSW gegen das gültige Wahlgesetz geklagt. Ebenso gab es zahlreiche Wahlprüfbeschwerden, die überwiegend von der GRÜNEN Landespartei unterstützt wurden. Auch die Fraktion Die Linke hatte Wahlprüfbeschwerde eingelegt.

Auf diese Beschwerden hat das Landesverfassungsgericht am 30. August 2010 das aktuelle Wahlgesetz für verfassungswidrig erklärt und angeordnet, dass der Landtag bis Ende Mai 2011 ein neues Wahlgesetz beschließen muss.

Wann wird das neue Wahlgesetz beschlossen?

Am 16. Dezember 2010 findet im Landtag die erste Lesung statt. Wir haben gemeinsam mit dem SSW einen Vorschlag hierzu eingebracht. Die Linke wird sich voraussichtlich anschließen. Dem stehen ein Antrag der SPD sowie ein gemeinsamer Antrag von CDU und FDP entgegen.

Im März soll das Gesetz endgültig beschlossen werden. Dies hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Landtagspräsidenten, in der sich alle Fraktionen auf ein Verfahren verständig haben, so vereinbart.

Mit welcher Position gehen die Grünen in die Auseinandersetzung?

Für uns sind folgende Punkte besonders wichtig:

Überhang- und Ausgleichsmandate:

Im Moment haben CDU und FDP eine Mehrheit im Landtag, obwohl sie an der Wahlurne 27.495 weniger Zweitstimmen bekommen haben als SPD, Grüne, Linke und SSW gemeinsam. In einer Demokratie ist das ein kaum erträglicher Zustand. Grund für die Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse ist, dass nicht alle Überhangmandate durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden. Wir schlagen vor, das zu ändern. Die Vorschläge von CDU, SPD und FDP sehen das mittlerweile auch so.

Regelgröße 69 Abgeordnete:

Die Größe des Landtags muss zum Land passen. Die Landesverfassung sieht eine Regelgröße von 69 Abgeordneten vor. Für ein vergleichsweise kleines Bundesland ist das ausreichend. Um dies zu erreichen, wollen wir die Anzahl der Wahlkreise deutlich von 40 auf 27 reduzieren.

Wahlalter 16:

Zudem wollen wir das Wahlalter für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre absenken. Eine solche Initiative befindet sich bereits im parlamentarischen Verfahren.

Auszählungsverfahren:

Das gegenwärtige Auszählverfahren (d’Hondt) benachteiligt kleinere Parteien. Wir wollen es durch ein mathematisch exakteres und damit gerechteres System ersetzen (Sainte-Laguë/Schepers).

Was wollen CDU, SPD und FDP?

CDU, SPD und FDP wollen die Vorgabe in der Landesverfassung zur Anzahl der Abgeordneten (69) streichen. Die Anzahl der Wahlkreise wollen sie von 40 auf 35 reduzieren. Die Deckelung der Vergabe von Überhangmandaten soll entfallen. Am ungerechten Auszählverfahren soll festgehalten werden. Die Abschaffung der Zweitstimme ist aktuell nicht mehr in der Diskussion.

Die SPD möchte außerdem den nächsten Wahltermin in der Verfassung verankern (13. November 2011). Sie teilt zudem unsere Forderung nach einer Absenkung des Wahlaltes.

Wie groß werden die Landtage nach den unterschiedlichen Vorschlägen?

Das kommt naturgemäß sehr stark auf das Wahlergebnis an. Wir haben das letzte Wahlergebnis als Grundlage für eine Musterrechnung genommen. Nach unserem Vorschlag hätte der Landtag 69 Abgeordnete, wie es die Verfassung vorsieht. Nach dem Vorschlag von CDU, SPD und FDP würde der Landtag aus 89 oder 87 Abgeordneten bestehen (abhängig davon, ob die SPD in Lübeck weiterhin 3, oder nur noch 2 Wahlkreise gewinnt. Weitere Infos ergeben sich aus der Musterberechnung im Anhang, die Naomi erstellt hat.

Warum können sich CDU, SPD und FDP nicht zu einer stärkeren Reduzierung von Wahlkreisen durchringen?

Hier überwiegen die machttaktischen Erwägungen. CDU und SPD definieren sich stark über ihre Wahlkreisabgeordneten. Eine vdeutlichere Reduzierung, die eigentlich verfassungsrechtlich geboten wäre, ist parteiintern dort nicht durchzusetzen. Da wird lieber die Verfassung der eigenen Machttaktik angepasst.

Führt der von CDU, SPD und FDP gewünschte Erhalt von 35 Wahlkreisen nicht zu einer Stärkung des Gedankens der regionalen Verankerung?

Nein. Nach unserem Vorschlag mit 27 Wahlkreisen wäre die Quote der direkt gewählten Abgeordneten im Landtag bei 39 %. Bei einem Landtag mit 89 Abgeordneten würde wegen der Ausgleichsmandate die Quote der direkt gewählten Abgeordneten ebenfalls 39 % betragen.

Wann finden die Neuwahlen statt?

Das ist noch offen. Vor Herbst 2011 wird eine Neuwahl kaum möglich sein. Die nach der Änderung der Anzahl der Wahlkreise vorzunehmende neue Wahlkreiszuschneidung wird erst nach Verabschiedung des Gesetzes im März vorgenommen. Allerdings gibt es keine durchgreifenden Gründe, die eine Verschiebung des Wahltermins in das Jahr 2012 zwingend machen. Wenn es doch so kommt, dann nur aus einem Grund: CDU und FDP kleben an ihren Stühlen und scheuen einen frühen Wahltermin.

Möglich ist, dass der Streit um den Wahltermin tatsächlich mit der Wahlrechtsreform verknüpft wird. Die SPD hat ein Ass im Ärmel: Wer die Zahl der Wahlkreise nur geringfügig auf 35 reduziert, braucht eine Verfassungsänderung, damit nicht gegen die Anforderung des Verfassungsgerichtsurteils verstoßen wird. Dafür ist eine 2/3 Mehrheit notwendig. Die SPD könnte das nutzen, um auf einen Wahltermin im November 2011 oder März 2012 zu dringen.

Viele halten es für unwahrscheinlich, dass CDU und FDP tatsächlich bis zum allerletzten Tag auf ihren Sesseln kleben bleiben und erst im September 2012 wählen. Grund: Der Haushaltsprozess wäre da in vollem Gange. Ein Wahltermin im Mai 2012 sei daher realistisch. Wir dringen natürlich auf einen möglichst frühen Wahltermin, allerdings sind unsere Möglichkeiten dies im Parlament voranzubringen, nicht sehr groß.

Auswirkungen der Gesetzentwürfe zur Änderung des Landeswahlgesetzes und der Landesverfassung auf die Sitzverteilung im Landtag:

Zur Berechnung wird das Stimmergebnis der Landtagswahl von 2009 unterstellt.

Dabei gehen wir davon aus, dass es beim Vorschlag von Grünen/SSW zu einer Verteilung der Direktmandate von 4 Mandaten für die SPD (2 Kiel, 2 Lübeck) und 23 Mandaten für die CDU kommt.

Beim Vorschlag von CDU/FDP/SPD zu

entweder: 5 Mandaten für die SPD (3 Kiel, 2 Lübeck) und 30 Mandaten für die CDU (Alt. 1) oder 6 Mandaten für die SPD (3 Kiel, 3 Lübeck) und 29 Mandaten für die CDU (Alt. 2).

Vorschlag von Grünen/SSW:

–          27 Wahlkreise

–          Sitzverteilungs-Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers

–          Voller Ausgleich aller Überhangmandate

Auswirkung auf die Sitzverteilung:

Verfassungsvorgabe 69 Mandate:

CDU: 23

SPD: 19

FDP: 11

GRÜNE: 9

LINKE: 4

SSW: 3

Ergebnis: Es bleibt bei der von der Verfassung vorgegebenen Anzahl der Abgeordneten von 69. Es entstehen keine Überhang- und Ausgleichsmandate.

Vorschlag von CDU/FDP/SPD:

–          35 Wahlkreise

–          Sitzverteilungs-Verfahren nach d’Hondt

–          Voller Ausgleich aller Überhangmandate

Auswirkung auf die Sitzverteilung:

Verfassungsvorgabe der Abgeordnetenanzahl wurde gestrichen; Wahlgesetzvorgabe 69 Mandate:

Alternative 1:

CDU: 30 (7 Überhangmandate)

SPD: 24 (5 Ausgleichsmandate)

FDP: 14 (3 Ausgleichsmandate

GRÜNE: 12 (2 Ausgleichsmandate, 1 „Ungerade“-Mandat)

LINKE: 5 (1 Ausgleichsmandat)

SSW: 4 (Ausgleichsmandat)

Ergebnis: Der nächste Landtag würde aus 89 Abgeordneten bestehen.

Alternative 2:

CDU: 29 (6 Überhangmandate)

SPD: 24 (5 Ausgleichsmandate)

FDP: 14 (3 Ausgleichsmandate

GRÜNE: 11 (2 Ausgleichsmandate)

LINKE: 5 (1 Ausgleichsmandat)

SSW: 4 (1 Ausgleichsmandat)

Ergebnis: Der nächste Landtag würde aus 87 Abgeordneten bestehen.

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