Benötigt der Fußballverein Holstein Kiel für sein Stadion ein zusätzliches Parkhaus mit 1500 Stellplätzen? Der Beschluss der Mitgliederversammlung der Kieler Grünen am 8. Mai 2021 (Beschluss – Für einen Nachhaltigen Ausbau des Holstein Stadions & Klimaneutralen Verein) für einen nachhaltigen Ausbau des Stadionkomplexes von Holstein Kiel hat eine leidenschaftlich geführte Diskussion ausgelöst, ob dort ein Parkhaus benötigt wird oder nicht. In diesem Blog greifen wir oft ins Feld geführte Argumente auf und machen einen Faktencheck:
1. Wenn kein Parkhaus gebaut wird, kommen die Menschen ohne Auto
Holstein Kiel ist der nördlichste Fußball-Bundesligist. Viele Fans kommen aus ländlichen Regionen und sind bislang hauptsächlich auf das Auto angewiesen, wenn sie das Stadion erreichen wollen. Das liegt zum einen am Ausbau des ÖPNV in Schleswig-Holstein. In der Fläche gibt es jenseits der Bahnlinien nur ein dünnes großmaschiges Busnetz. Zum anderen ist auch die innerstädtische Anbindung des Holstein-Stadions noch nicht entsprechend ausgebaut. Und bisher haben fehlende Stellplatzkapazitäten die Menschen nicht von der Anreise mit dem eigenen Pkw abgehalten. Das wird sich voraussichtlich auch nicht ändern, sollte Holstein Kiel in die erste Bundesliga aufsteigen und seine Anziehungskraft damit steigern.
2. Ein Parkhaus bringt zusätzliche Belastung durch Lärm, Müll und Verkehr für die Anwohnenden
Vor der Corona-Pandemie haben die Anwohnenden in einem großen Umkreis an den Heimspielterminen von Holstein Kiel gelitten: Einen Stellplatz suchende Autofahrende verstopften regelmäßig mit ihren Fahrzeugen auch Wohnstraßen und parkten nahezu jede Lücke zu – ganz gleich, ob legal oder nicht. Die schwierige Situation sorgte bislang auch für zahlreiche Konflikte zwischen den unterschiedlichen Verkehrsarten.
3. Nur weil eine Zufahrtsstraße für das Parkhaus gebaut werden muss, fallen Kleingärten und Teile des Grüngürtels weg
Eins vorweg: Der geplante Ausbau des Stadions macht die Schaffung einer weiteren Zufahrt nach Aussage der Stadtverwaltung allerdings unverzichtbar – theoretisch unabhängig davon, ob das Parkhaus gebaut wird oder nicht. Die Zufahrt wird für Rettungskräfte und die „Andienung“ der Nordtribüne sowie des VIP-Bereichs benötigt. Und: Ohne Verlust an Kleingärten und Grünfläche werden weder das Parkhaus noch eine zusätzliche Zufahrt gebaut.
4. Die Zufahrt kann über die Bundesstraße oder die Projensdorfer Straße erfolgen
Der direkte Anschluss einer privaten Zufahrt an eine autobahnähnliche, anbaufreie, zweibahnige Bundesstraße außerhalb der festgesetzten „Ortsdurchfahrtsgrenze“ ist nach Bundesfernstraßengesetz nicht möglich. Denkbar wäre der Anschluss einer Bundes-, Landes- oder Kreisstraße. Eine öffentliche Erschließungsstraße eines Stadions erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen für eine derartige Klassifizierung. Eine direkte Ausfahrt von der Richtungsfahrbahn Altenholz der Bundesstraße 503 bzw. der Zufahrtsrampe vom Westring zur Richtungsfahrbahn Altenholz der B 503 ist nach Aussage der Verwaltung ebenso wenig möglich wie eine entsprechende Zufahrt auf die B 503 Richtungsfahrbahn Altenholz. Das entspräche keinesfalls der geforderten Verkehrssicherheit.
Für den Ausbau des Stadions wurden bereits vom Verein Grundstücke an der Projensdorfer Straße erworben. Für den Bau einer Umfahrung des Stadions und somit eines direkteren Anschlusses an die Projensdorfer Straße müsste allerdings ein weiteres Grundstück gekauft werden. Dieses Grundstück wird derzeit noch bewohnt und steht nicht zum Verkauf. Darüber hinaus ist auch eine direktere Führung in Richtung geplanten Anschlusspunkt in der Projensdorfer Straße aufgrund des bestehenden Waldes hinter dem ehemaligen Dialysezentrum aus ökologischen Gründen nicht sinnvoll und wurde von vornherein ausgeschlossen
5. Der Ausbau des Holstein-Stadions kann auch unabhängig von zusätzlichen Pkw-Stellplätzen realisiert werden
Alleine aus der Landesbauordnung, Paragraph 50, geht nach Angaben der Verwaltung hervor, dass das auf 25.000 Fußballfans ausgebaute Holstein-Stadion über eine entsprechende Infrastruktur und/oder ein Konzept verfügen muss, damit der Verkehr/Mobilität, der durch die maximale Zahl der Besucher*innen verursacht wird, abgebildet werden kann. Die Verwaltung schätzt es als unrealistisch ein, dass auf ein Parkhaus komplett verzichtet werden kann. Es werde deshalb an einem Mobilitätskonzept gearbeitet, das auch die Berücksichtigung nahegelegener Parkplätze unter Bereitstellung von Shuttlediensten prüft.
An den Bau eines zusätzlichen Parkhauses im Zuge des geplanten Stadion-Ausbaus und der sportlichen Erfolge der Fußballer von Holstein Kiel knüpfen wir folgende Forderungen:
- Das Parkhaus ist nachhaltig zu bauen, zu begrünen und auf eine alleinige Nutzung durch emissionsfreien Individualverkehr auszurichten
- Die Stellplätze stehen jenseits der Spieltage auch den Menschen aus der Nachbarschaft (Quartiersparkhaus) zur Verfügung
- Die Stadt baut im Gegenzug Parkplätze zugunsten verbesserter Wege für zu Fuß Gehende und Radfahrende zurück
- Für die Mobilitätswende soll das Parkhaus als P+R-Möglichkeit genutzt werden. Dazu gehört die frühzeitige Errichtung einer Mobilitätsstation
- Der ÖPNV im Bereich des Stadions wird spürbar ausgebaut; dazu gehört auch eine Haltestelle der in Planung befindlichen Stadtbahn
Die Zustimmung und der Beschluss der grünen Jahresversammlung sind also eine Abwägung unterschiedlichster Zusammenhänge und uns als Grünen nicht leicht gefallen. Die Entscheidung für den Ausbau des Holstein-Stadions zieht ein Parkhaus fast zwingend nach sich. Und wir wollen bei einer Umsetzung die Aspekte Verkehrswende, Klimaschutz, nachhaltiges Bauens und Bedürfnisse der Anwohnenden konstruktiv einbringen. Auch im Zusammenspiel mit den Beschlüssen der grünen Jahresversammlung für eine autofreie Innenstadt spielen Möglichkeiten für P+R-Angebote am Stadtrand eine zentrale Rolle.