Haushalt 2022 – Wir müssen auch über Artensterben, den Meeresschutz und die Klimakrise reden!

Von Arne Stenger

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Stadtpräsident,

liebe Kolleg*innen,

zur Haushaltsdebatte lohnt sich immer auch der Blick auf die Rede vom Vorjahr. Was haben wir angestoßen, was habe ich im vergangenem Jahr bereits angemahnt? Muss ich gar Teile meiner Rede einfach wiederholen?

Eines ist wirklich gleich geblieben. Leider!

Wir mussten dieses Jahr erneut viel über die Pandemie reden. Das hat unser aller Leben und auch den städtischen Haushalt maßgeblich geprägt.

Und ja, ich kann einen Satz aus dem Vorjahr deshalb wiederholen:

„Über Klimakrise, Artensterben und Meereskrise wurde weniger gesprochen!“

Diese Themen und natürlich auch den klassischen Naturschutz und das große Thema Nachhaltigkeit dürfen wir nicht vergessen. Trotz der Pandemie werden sie unser Leben in den kommenden Jahren prägen und wir werden unser Leben verändern müssen.

Die Weltklimakonferenz in Glasgow hat zwar erneut die Dringlichkeit des Themas gezeigt, die wirklich belastbaren Ergebnisse waren aber erneut kaum zu finden.

Und auf Bundesebene hat sich ein Regierungswechsel vollzogen. Das bringt hoffentlich Bewegung in die Bundespolitik. Der Koalitionsvertrag verlangt zum Beispiel den Kohleausstieg möglichst bis 2030. Und den Bau neuer und flexibler Gaskraftwerke für eine Übergangsphase.

Das sind Ziele, die wir in Kiel bereits erreicht haben.

Aber…reicht das?

Können wir uns deshalb in Kiel bereits zurücklehnen?

Und sollen wir als Kommune nun abwarten, was in Berlin durch die neue Regierung passieren wird?

Nein! Natürlich nicht!

Wir brauchen viel mehr Klimaschutz! Kommunalen Klimaschutz! Und auf kommunaler Ebene sind die Handlungsansätze zahlreich. Ich freue mich, dass wir diese Ansätze im Haushalt 2022 und bei den zusätzlichen Anträgen wiederfinden.

Im Haushaltansatz steckt zum Beispiel die Umsetzung des Förderprogramms für Gründächer und Fassadenbegrünung. Damit leisten wir einen Beitrag zur Klimaanpassung, bauen vor für kommende Hitzewellen und leisten, fast schon nebenbei, einen Beitrag zur Artenvielfalt, weil neue Lebensräume im urbanen Umfeld entstehen.

Über das Programm Solarstadt stellen wir im kommenden Jahr 300.000 Euro zur Förderung von Photovoltaik und Solarthermie zur Verfügung. Damit schieben wir den Prozess an, der Kiel zu einer Solarstadt machen soll. Die Potentiale auf den Kieler Dächern sind nicht ansatzweise ausgeschöpft. Und die Energiepreise für fossile Energieträger werden und müssen in den nächsten Jahren steigen. Stichwort: CO²-Abgabe!

Wir können damit nicht alle Dächer fördern. Die Hauseigentümer*innen sind auch selbst gefordert. Aber das Zeichen, das wir setzen, ist trotzdem so wichtig. Mit jedem Dach, das zum Gründach wird, das eine Photovoltaikanlage oder das eine Solarthermieanlage erhält, steigt auch das Interesse von Nachbar*innen, die das sehen und dann auch wollen.

Auch im Konzept Stadtgrün stecken natürlich viel Klimaschutz und Klimaanpassung. Durch das Konzept, können wir Grünflächen erhalten, schützen und aufwerten. Die Grünflächen haben im städtischen Umfeld einen unschätzbaren Wert für die Artenvielfalt, als Biotopvernetzungshilfe, als Puffer bei Hitze, als Wasserspeicher und natürlich auch als Freizeit- und Erholungsraum. Wir wollen dafür unseren Grüngürtel lückenlos erhalten. Wir bedanken uns hier nochmal ausdrücklich bei der Verwaltung für die Erstellung des Konzeptes.

Nun schlage ich den Bogen zu den vorliegenden Anträgen von heute.

Kollhorst! Der erste Naturerlebnisraum in Schleswig-Holstein.

Täglich werden dort Schulklassen und Kita-Gruppen mit hervorragenden Konzepten mit den Themen Natur- und Artenschutz oder Nachhaltigkeit vertraut gemacht. Das Interesse ist riesig, es die Nachfrage nach Terminen ist deutlich größer als das Angebot. Darüber hinaus kümmert sich der Verein Kollhorst um die Flächen mit Streuobstwiesen der Alten Stadtgärtnerei und um die weiteren Naturräume von Kollhorst. Das läuft seit Jahren so und es läuft inhaltlich sehr gut, aber es lief leider Jahrelang mit einer viel zu geringen Finanzierung und ohne finanzielle Sicherheiten. Der Verein kämpfte eigentlich ständig um das Überleben und umweltpädagogische Fachkräfte konnten entsprechend nicht ausreichend entlohnt werden.

Wir ändern dies nun endlich durch eine institutionelle Förderung. So wird die umweltpädagogische Arbeit gesichert und verstetigt.

Als Grundlage für den Kampf gegen die Klimakrise und das Artensterben sind solche Bildungsangebote von einer kaum abschätzbaren Bedeutung. Kinder werden so von klein auf mit den Themen vertraut gemacht.

Wir freuen uns sehr, den Naturerlebnis Raum Kollhorst so fit für die Zukunft zu machen.

Kommen wir zum Thema Nachhaltigkeit. Und ein erneuter Blick zurück auf meine Rede von 2020. Dort habe ich mit Freude darauf verwiesen, dass Kiel auf dem Weg ist, als erste Kommune in Deutschland als Zero Waste City zertifiziert zu werden. Dieser Weg wurde weiter beschritten. Das Zero Waste Advisory Board hat sich konstituiert und die Arbeit aufgenommen. Und heute haben wir neben den vielen Prozessen, die bereits angestoßen worden sind, auch einen ersten Antrag zum Thema, der den Bereich Zero Waste im Titel trägt.

Kurz zum Hintergrund. Wieso sind Einweg- oder Stoffwindeln so ein wichtiges Thema? In Deutschland werden jedes Jahr etwa 150.000 Tonnen (t) Einwegwindeln verbraucht. Ein kleiner Vergleich nötig?

Unsere Kieler Müllverbrennungsanlage verbrennt im Jahr 140.000 t Müll.

Diese Dimension zeigt, dass es sich lohnt, in diesem Bereich etwas zu tun. Moderne Mehrwegstoffwindeln sind nicht mehr mit den Windeln zu vergleichen, die wir vielleicht selbst kennen oder, besser gesagt, vermutlich zum großen Teil nicht mehr kennen. Nämlich die Windeln, die die Generation unserer Eltern oder Großeltern verwendet hat.

Moderne Stoffwindeln sind einfach zu benutzen und erzeugen nur einen Bruchteil an Müll. Sie sind aber in der Erstanschaffung teuer. Daher macht dieser Umsetzungsschritt im Zero Waste-Konzept absolut Sinn. Es gilt, Menschen bei einem Schritt mitzunehmen, der ihr Leben ohnehin auf den Kopf stellt. Wenn Menschen ein Kind bekommen, ändert sich so vieles. Und die Menschen sind bereit, auf so vieles zu achten. Denn jede und jeder will nur das Beste für sein Baby. Es ist daher gerade auch in diesem Bereich leicht, die Menschen anzusprechen und wirklich eine nachhaltige Veränderung zu erreichen. Wir unterstützen daher dieses Förderprogramm und hoffen, damit einen neuen Trend in Kiel anzustoßen. Wie bereits im Innen- und Umweltausschuss berichtet wurde, kann ein solches Programm zum Beispiel zu neuen Wäscheservices mit Abhol- und Bringservice führen, wie sich in anderen Kommunen gezeigt hat. Wir würden uns darüber sehr freuen.

Und was fehlt noch?

Vieles!

Wir müssen die Mobilitätswende vorantreiben, wir müssen die Wärmedämmung von Altbauten vorantreiben. Wir müssen in neuen Bebauungsplänen und bei neuen Baugenehmigungen auf klimaneutrales Bauen und eine klimaneutrale Energie- und Wärmeversorgung achten. Das haben wir alles im Blick und werden es auch im kommenden Jahr angehen.

Die Stadtwerke, die Müllverbrennung und auch alle anderen städtischen Betriebe müssen mittelfristig klimaneutral werden. Da gibt es viel zu tun und wir werden diese Schritte mit den notwendigen Beschlüssen unterstützen und entsprechenden Konzepten gerne unsere Zustimmung geben.

Die Vorlagen aus dem Dezernat II, zum ruhenden Verkehr und zur Klimaneutralität bis 2035, wurden heiß diskutiert. Das zeigt, wo noch Probleme auf uns zukommen werden. Aber genau diese Konflikte dürfen und können wir nicht scheuen. Wir können als Kommune nicht das Klima retten und als Kommune sind wir an vielen Stellen auf die Unterstützung von EU, Bund und Land angewiesen.

Das Positionspapier „klimaneutral 2035“ hat uns allen verdeutlicht, was wir schon ahnten. Wir können es nicht alleine schaffen! Aber wir können Vieles schaffen und müssen da einfach alles tun. Denn nur wenn wir auf globaler, europäischer, Bundes, Landes- und kommunaler Ebene an einem Strang ziehen, kann die Klimakrise gemeistert und die globale Erwärmung auf 1,5° begrenzt werden. Sollten wir das nicht schaffen, werden womöglich nicht wir, aber vermutlich unsere Kinder erleben, dass die aktuelle Coronapandemie nur eine ganz kleine Krise im Vergleich zu dem ist, was in 50 bis 100 Jahren zu erwarten wäre.

  • Kipppunkte beim Abschmelzen der arktischen Eisschilde!
  • Kipppunkte bei der thermohalinen Zirkulation, Stichwort Golfstrom!
  • Kipppunkte beim Auftauen von Permafrostböden und dadurch großflächige Emissionen von CO2 und Methan!

Damit sind nur ein paar Beispiele genannt.

Die Folgen können und wollen wir uns alle kaum vorstellen.

  • Steigender Meeresspiegel.
  • Extreme Unwetter, Dürren und Naturkatastrophen.
  • Verlust von funktionierenden Ökosystemen.

Bei den sozialen Folgen will ich nur auf Hunger, Massenflucht und Krieg hinweisen.

Lasst uns in Kiel alles dafür tun, was kommunal in unserer Macht liegt!

Vielen Dank!

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