Jugendhilfe – den Dialog mit Kindern und Jugendlichen suchen

Man stelle sich vor, man würde Erwachsene allein als „Arbeitnehmer*innen“ und nicht auch als Mütter bzw. Väter anzusprechen. Dies würde würde – zu Recht – schnell Widerspruch und Empörung hervorrufen. Und auch ältere, sich im Ruhestand befindliche Menschen wollen und sollen ihre Sorgen und Bedürfnisse äußern oder schlicht wahrgenommen werden – beispielsweise im Hinblick auf das neu erworbene Campingmobil oder Freiheitsrechte als Geimpfte. Doch warum machen es sich Teile der Gesellschaft viel einfacher, wenn es um junge Menschen geht?

Derzeit wird über ältere Kinder und Jugendliche fast ausschließlich als Schüler*innen berichtet. Zum Beispiel sollen „Lernrückstände“ im sogenannten „Lernsommer“ aufgeholt werden. Als sei dies das einzige Defizit, das Kinder & Jugendliche derzeit aufweisen. Wie selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass die Rückkehr an die Schule gleichzusetzen ist mit einer Rückkehr ins „normale“ Leben – und dass sich alle darauf freuen. Kinder und Jugendliche haben jedoch genau wie erwachsene Menschen zahlreiche Interessen und Bedürfnisse, die über Schule und das Erlernen von Kulturtechniken hinausgehen, insbesondere das Bedürfnis, sich mit Gleichaltrigen die Welt zu erobern und eigene Ideen zu verwirklichen. Doch auch wir sprechen hier „über“ jemanden – am besten jedoch, wenn wir Erwachsenen sie einfach mal fragen, was sie wollen. In der jetzigen Situation müssen wir noch aktiver das Gespräch mit den Kindern und Jugendlichen suchen.

Wir müssen als Erwachsene und Stadtgesellschaft mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommen. In den Familien, in der Nachbarschaft, auf der Straße und auch in der Schule. Dies ist nicht allein die Aufgabe von Sozialarbeiter*innen. Wir alle müssen uns für Kinder und Jugendliche interessieren und respektieren, wenn wir keine Antwort erhalten. Kinder und Jugendliche brauchen Wertschätzung und Aufmerksamkeit aber auch Freiräume.

Wir müssen die Kinder und Jugendlichen nach ihren Interessen und Bedürfnissen, nach Nöten und Lösungsideen in dieser Krisensituation befragen. Da schlummern Potentiale! Und wir haben bereits ein gutes System in Kiel für den Dialog mit Kindern und Jugendlichen: Schulsozialarbeiter*innen. Dies erfordert allerdings ein Bekenntnis der politischen Verantwortlichen in Kiel für starke und verlässliche Strukturen in der schulischen und außerschulischen Jugendhilfe.

Im Jugendhilfeausschuss der Stadt Kiel wir vor ein paar Tagen haben das Jugendamt beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, wie wir in allen Stadtteilen noch aktiver auf Kinder und Jugendliche zugehen und ins Gespräch kommen können. Jugendzentren und andere außerschulische Lernorte öffnen langsam wieder die Türen und können trotz Corona-Hygieneregeln wieder attraktive Angebote machen. Es erscheint aber nicht ausreichend zu sein, auf die Rückkehr der Kinder und Jugendlichen zu warten.

Was wir jetzt brauchen, ist eine aufsuchende offene Kinder- und Jugendarbeit. Zusätzlich benötigt die Schulsozialarbeit weitere Ressourcen, um Handlungsspielräume für Kinder und Jugendliche zu eröffnen. Diese Angebote werden Geld kosten. Wir fordern daher die Landesregierung auf, die Förderrichtlinien zum Corona-Aufholpakt schnell zu verabschieden. Dabei darf nicht nur die Schulsozialarbeit im Blick stehen (siehe oben). Wir sind bereit, Verantwortung für Kieler Kinder und Jugendliche zu übernehmen. Wir sehen aber auch die Vielfalt an Herausforderungen, entstanden auch durch die Corona-Pandemie, die sich in allen Lebensbereichen und Generationen widerspiegeln.

Letztlich dürfen wir die Jugendhilfe nicht als Feuerwehr ansehen, die alles richten wird. Das können wir als Stadtgesellschaft nicht bezahlen und es wird der alten Weisheit nicht gerecht, denn „es ein ganzes Dorf braucht, um Kinder und Jugendliche beim Aufwachsen zu begleiten“.

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