Rede von Arne Stenger in der Ratsversammlung: „Zukunftsfähigkeit der Holstenstraße“

Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Stadtpräsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine aktuelle Stunde zur Innenstadt! Nun ja!

Über die Kieler Innenstadt und das „Sterben“ der Holstenstraße wird schon lange philosophiert. Mal mehr mal weniger.  Macht ein bekanntes, großes oder alteingesessenes Geschäft zu, so wird die Diskussion lauter. Passiert etwas Neues, wird sie etwas weniger dramatisch.

Und steht gerade der Wahlkampf vor der Tür, dann kann man auch mal eine aktuelle Stunde fordern. Weniger um über echte Probleme zu reden, die es durchaus gibt. Und ebenso wenig, um über zeitgemäße Lösungen nachzudenken.

Viel mehr, um mit einem parteipolitischen Kalkül zu diskutieren und zu polarisieren.

Da versuchen Sie, liebe FDP, CDU und SSW, mit einem Festhalten an der Idee zu punkten, dass Städte einzig auf die Bedürfnisse von Autos zugeschnitten sein sollten. Ein Konzept, welches übrigens vom Stadtplaner und Architekten Hans Reichow bereits aus dem Jahr 1959 stammt, eigentlich sogar schon in den 20er und 30er Jahren erdacht wurde, um dann in den 1960er Jahren in vielen Städten, so auch in Kiel, Wirklichkeit zu werden.

Der „Tagesspiegel“ überschrieb 2018 einen Artikel mit der Überschrift „Die autogerechte Stadt ist eine Untote“. So kommt es mir in Ihren Diskussionen auch oft vor. Wie ein „untoter Zombie“ im Horrorfilm kommt in jeder Situation der vermeintliche Parkplatzmangel von Ihnen um die Ecke.

Doch genauso wie im Horrorfilm, wissen wir alle, dass es diesen gar nicht wirklich gibt.

In der Kieler Innenstadt gibt es nämlich 9500 Parkplätze, 6000 davon im Kernbereich in insgesamt 11 Parkhäusern. Diese sind selbst an gut frequentierten Tagen nicht ausgelastet. Auch die Kosten für einen Parkplatz sind in Kiel denkbar niedrig. Im bundesweiten Vergleich liegt Kiel auf Platz 3 der günstigsten Städte.

Am Wegfall von Parkplätzen, den es zahlenmäßig nicht einmal gibt, kann es also nicht liegen. Machen Sie mit dieser aus der Zeit gefallenen Idee gerne Ihren Wahlkampf. Ich bin sicher die Kieler*innen fallen darauf nicht herein.

Wir Grüne wünschen uns durchaus eine Reduktion der Parkplätze im öffentlichen Raum, vor allem um die Straßen wieder lebenswert zu gestalten. Solange die Parkhäuser im Jahresschnitt weniger als 50 Prozent ausgelastet sind, ist dafür sicher auch noch viel Handlungsspielraum.

Probleme des Leerstands in der Innenstadt zu lösen, die sicher nicht an mangelnden Parkmöglichkeiten liegen, ist natürlich unser aller Ziel.

Doch woher kommen diese Probleme nun eigentlich? Wenn sie hausgemacht wären, wie Sie der Verwaltung und der Kooperation so gerne vorwerfen, dann wäre es sicher einfacher, diese zu lösen.

Leider sieht die Realität so aus, dass die Leerstände zum großen Teil ganz andere Gründe haben. Es zeigt sich unter anderem, dass Kiel hier keine Ausnahme ist, sondern in ganz Deutschland und Europa sind Innenstädte mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert.

Das Einkaufsverhalten hat sich grundlegend verändert. Aus den Zentren zum Onlinehandel, ins Umland und an mancher Stelle auch in kleine Geschäfte in den Quartieren.

Viele Fachleute schätzen außerdem die Mieten für den Handel in Kiel grundsätzlich als zu hoch ein. Der Markt reagiert dort aber bisher kaum.

Gleichzeitig ist der allergrößte Teil der Gebäude aber in Besitz von Fondsgesellschaften, Immobilienunternehmen und einzelnen Privatbesitzer*innen. Die direkte Einflussnahme durch die Stadt Kiel ist hier also nicht möglich.

Doch die Stadt Kiel und Kiel Marketing sind ja trotzdem aktiv und tun da, wo sie Einfluss nehmen können, so einiges. Es ist ziemlich hart an der Wahrheit vorbeiargumentiert, es wäre nichts passiert in den vergangenen Jahren.

Mit dem Bau des Holstenfleets, welcher von der CDU bis zuletzt abgelehnt wurde, ist die Innenstadt spürbar aufgewertet worden. Es ist ein Raum mit Aufenthaltsqualität entstanden. Als Folge der neuen Verkehrsführung wurde beispielsweise auch der Bereich des Anna-Pogwisch-Platzes deutlich vom motorisierten Individualverkehr entlastet. Und heute können wir dort eine Umgestaltung gemeinsam mit den Geschäftsleuten denken und planen. Eine Idee und Forderung, die wir Grünen seit vielen Jahren haben.

Diese Umgestaltungen haben auch die Besucher*innenzahlen der Innenstadt bereits wieder auf das „Vor-Corona-Niveau“ steigen lassen. Und das, obwohl sie behaupten, die Innenstadt wäre gar nicht mehr erreichbar!

Das Innenstadtmanagement wurde eingerichtet und personell ausgestattet. Es gibt dort nun ganz persönliche Ansprechpersonen.

Die Planungen für die Umgestaltung der Holstenstraße und des Holstenplatzes sind mit dem Gestaltungswettbewerb auf den Weg gebracht.

Und rund um den Alten Markt, also im eigentlichen Kern der Kieler Altstadt-Insel, ist in den vergangenen Jahren viel neuer Wohnraum entstanden. Denken wir an die Alte Feuerwache oder das Schlossquartier.

Und im Jahr 2022 verweist Kiel-Marketing auf 19 Neueröffnungen, auch das darf neben den Ladenschließungen nicht verschwiegen werden.

Was es also braucht, wenn man solche Zahlen betrachtet, sind vor allem auch neue Konzepte für eine zeitgemäße Innenstadt.

Aufenthaltsqualität, Angebote aus Kultur und Gastronomie, eine Mischung aus kleinen regionalen Anbietern und den bekannten Ketten. Das zieht die Menschen in die Kieler City. Das kann der Onlinehandel nicht ersetzen.

Um das, was schon da ist, besser zu verkaufen und die Missstände, die es sicher auch gibt, zu beheben, brauchen wir weniger populistische Ansätze mit Mobilitätskonzepten aus der Nachkriegszeit. Wir brauchen mehr Kommunikation, um den Menschen zu verdeutlichen, dass die Kieler City gut erreichbar ist und den Besuch lohnt.

Ich glaube, wir sollten auch endlich davon abrücken, die Kieler Innenstadt grundsätzlich schlecht darzustellen.

Ich vergleiche es gerne nochmal mit einem Kino: Niemand geht gerne in einen Film, von dem alle erzählen, er wäre schlecht! Da ist dann fast egal, wie der Film wirklich ist.

Also fangen wir endlich an, über das Positive in der Kieler Innenstadt zu reden.

Ohne die Mängel dabei schön zu reden. Aber auch ohne Schwarzmalerei.

Vielen Dank

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