Wohnraumplanung: Balance zwischen sozialer Verpflichtung und Natur- und Klimaschutz 26. Januar 202226. Januar 2022 AR 2020 Von Arne Langniß und Arne Stenger Für Grüne ist Wohnen ein Grundrecht. Da Wohnraum aber Mangelware ist, bleibt der Wohnungsbau – und dabei ganz besonders bezahlbare Wohnungen – in Städten und deren Umland das Reizthema. Die Suche nach einer neuen Wohnung wird für immer mehr Menschen zur Grenzerfahrung. Und die statistischen Daten, dass gerade auch junge Familien eher jenseits der Stadtgrenzen fündig werden, sind Ausdruck dieses nicht nur für Kiel typischen Problems. „Mehr Wohnungen bauen“ heißt das Gebot der Stunde, das auch die neue Bundesregierung machtvoll vertritt. Dieser berechtigte Wunsch schürt aber Konflikte mit dem Klima-, Arten- und Naturschutz. Denn entweder führt der verstärkte Wohnungsbau zur Verdichtung innerstädtischer Grünflächen, oder es werden im Umland zusätzlichen Flächen neu versiegelt und Ströme der Pendler*innen noch größer. Deshalb suchen wir immer wieder Lösungen zwischen Bauen auf der „grünen Wiese“ und Möglichkeiten des nachhaltigen Nachverdichten in der Stadt. Denn beim Wohnen steht neben den sozialen Aspekten immer auch die nachhaltige und generationengerechte Finanzierung im Raum. Wer kann sich denn die entstehenden Wohnungen eigentlich leisten? Wer investiert in Wohnraum auch für den schmalen Geldbeutel? Wie können wir verhindern, das aus Quartieren die angestammte Bevölkerung durch wohlhabendere Schichten verdrängt wird (Gentrifizierung)? Wie erhalten und verbessern wir die naturnahen, kulturellen und sozialen Lebensqualitäten in der Stadt? Der Irrglaube an die Kräfte des Marktes Der Glaube, dass der Markt alles regelt, ist schon lange gescheitert – egal, wie oft die Vertreter*innen des Neoliberalismus in der FDP oder der CDU diese Idee gebetsmühlenartig predigen. Städte wie Wien, Hamburg oder auch Ulm beweisen, dass eine starke kommunale Wohnungsgesellschaft, eine ausgeprägte Genossenschaftsförderung und ein kluge Bodenbevorratungspolitik den Markt beeinflussen und gestalten kann und damit sowohl die Eigentumsbildung als auch die Mieten bezahlbar bleiben. Es gibt auch eine zweite Variante, die zahlenmäßig außerordentlich effektiv ist: stark verdichtete Quartiere mit Schlafstadtcharakter im Umfeld der Stadt mit vielen Wohnungen auf engem Raum, wie es in den 1960er- und 1970er-Jahren versucht worden ist. Zudem erscheint diese Variante aufgrund des Verzichts auf energiesparendes und lärmreduzierendes ökologischen Bauen in der Bauphase als sehr kostengünstig, kann aber auch soziale Brennpunkte schaffen. Als extreme Negativbeispiele gelten die französischen Banlieues um Paris, Lyon und z.B. auch Strasbourg. Unsere Ziele sind es also: Wohnraum in der Stadt schaffen, bevor großflächig Landschaftsteile im Umfeld zerstört werden und es so zu einer Zersiedelung kommt.Städtische Nachverdichtung bei Erhalt der Grünstrukturen, um die Stadt auch dauerhaft lebenswert für Flora, Fauna und Mensch zu halten.Zeitgemäßes und nachhaltiges Bauen in Bezug auf Baumaterialien, und Baustrukturen. Dabei muss auch eine Anpassung an den Klimawandel erfolgen. Gründächer und Konzepte für Frischluftschneisen machen so in Zukunft Hitzewellen erträglicher.Energieeinsparende Dämmung mit ökologischen Dämmstoffen, die besser als die Vorgaben der EnEV 40 sein sollte, bei gleichzeitiger dezentraler Stromerzeugung durch aufgeständerter Photovoltaik auf dem Gründach. Das sorgt für bezahlbare Nebenkosten.Zukunftsorientierte Grundrisse, um so auch dem demographischen Wandel gerecht zu werden. Wohnraum muss sich über die Jahre und Jahrzehnte auch veränderten Familienstrukturen anpassen können.Reduzierung der Pflicht von Stellplätze bis auf 0 für Pkw bei öffentlich gefördertem Wohnungsbau bei Nachweis eines Mobilitätskonzeptes (Carsharing, Ladestationen für Pedelecs, Fahrradstellplätze, ÖPNV). Das sorgt für finanzielle und Graue-Energie-Einsparungen.Bezahlbaren Wohnraum schaffen! Dieses Reizthema steuern wir aktuell auf zwei Wegen an: mit der städtischen Wohnungsgesellschaft und mit der Sicherstellung von öffentlich gefördertem Wohnraum bei Neubauprojekten durch die Gestaltung der Bebauungspläne und entsprechender städtebaulicher Verträge. Ein Potenzial an bebaubaren Flächen muss nach dem Ausverkauf der vergangenen 25 Jahre erst wiederaufgebaut werden. Eine Bodenbevorratung ist aber möglich, wenn wir Vorkaufsrechte konsequent nutzen, Neubauflächen wie in Holtenau (MFG 5-Gelände) oder den Gewerbeflächen Friedrichsort nur gegen grundbuchlich gesichertes Vor-/Wiederkaufsrecht oder Erbpacht abgeben. Das braucht allerdings finanzielle Unterstützung des Landes und des Bundes. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Diese rechtlichen Absicherungen schränken die wirtschaftliche Nutzung nicht ein. Aber durch die Eigentumsbildung der Kommune wird der Bodenspekulation vorgebeugt und eine zukünftige Generationsgerechtigkeit erzeugt. Neue Chancen mit der KiWoG Wir haben die Neugründung einer Wohnungsgesellschaft vorangetrieben und umgesetzt. Diese startete nicht bei null, denn es gab noch einen kleinen Bestand stadteigener Wohnungen. Darauf aufbauend ist die KiWoG nun dabei, den Bestand an Wohnraum stetig zu vergrößern. Dieser Prozess braucht Zeit, denn die Finanzierung muss über den städtischen Haushalt abgewickelt werden, dessen investive Mittel begrenzt sind. Aber der Wohnungsbestand wächst von Jahr zu Jahr, und so können immer mehr Menschen mit Wohnraum versorgt werden, die mit geringem Einkommen auf dem freien Wohnungsmarkt oftmals nur schwer eine Wohnung finden. Die Kieler Ratsversammlung hat 2013 einen Grundsatzbeschluss gefasst, dass bei Bauprojekten mindestens 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum entstehen soll, soweit die Stadt darauf Einfluss nehmen kann. Diese Verpflichtung der Kieler Kommunalpolitik nimmt die grüne Ratsfraktion sehr ernst und stellt seit einigen Jahren sicher, dass dieser Beschluss umgesetzt wird. Und an dieser Stelle gebührt auch der Verwaltung ein Lob, die diese Vorgabe – wo immer möglich – in Bauprojekte einbringt. Aufstellungsbeschlüsse für Bebauungspläne greifen in den vergangenen Jahren diese Quote immer auf. Ältere Projekte lassen sich nicht immer umsteuern Doch es ist leider nicht immer so einfach, wie es manch andere Partei gerne darstellen möchte. Gerade in älteren Projekten wie an der Hörn konnte diese Quote nicht verankert werden. Die Erklärung dafür liegt weit zurück: Das Hörngelände war jahrzehntelang eine Brachfläche. Eine städtebauliche Sanierung war geplant und gefördert. Diese Förderung stammte aber aus einer Zeit, als die Förderung von Gewerberaum Vorrang vor Wohnraum hatte. Diese leblosen Bürotürme wären in dieser zentralen Lage aus heutiger Sicht sicher der erste von 2 Fehlern gewesen. Als es dann sinnvoll ab 2013 möglich war, an der Hörn auch Wohnbebauung zu planen, sorgte das in der Kieler Verwaltung und der Politik erst mal für Erleichterung, denn ein grundlegender Fehler konnte so korrigiert werden. Ein Umsteuern zu einer 30-prozentigen Quote an sozialem Wohnraum war damals noch nicht vorgesehen, und es wäre wohl auch unter Einbeziehung der Investierenden nicht möglich gewesen. Und ohne diese privaten Investitionen hätte Kiel die Hörnflächen nicht alleine entwickeln können. Unter Berücksichtigung dieser Vorgeschichte ist das Ergebnis mit 15 Prozent öffentlich sozialgefördertem Wohnraum durchaus als Erfolg zu betrachten, da zudem Mikro-Appartements für Studierende nicht unter sozialen Wohnraum fallen, allerdings auch als Entlastung gesehen werden können. Auch die Entwicklung im Kieler Süden erschließt sich erst beim Blick in die Geschichte der Planungen. Dort wurde die 30-Prozent-Quote bereits angewandt, aber lediglich für den Geschosswohnungsbau. Die Reihenhaus- und Einzelhausbebauung, die dort auch ihren Platz haben werden, waren davon ausgenommen. Wir Grünen haben dann in der vergangenen Wahlperiode noch durchgesetzt, dass es auch zu Reihenhausbebauung mit öffentlich gefördertem Wohnraum kommen soll. Große Familien mit geringem Einkommen kommen dafür beispielsweise in Frage. So haben wir die Quote an sozialem Wohnraum bei den Planungen für den Kieler Süden auf 22,5 Prozent erhöhen. Für ein „Stadtdorf“, dass auch einen Anteil an Einzel- und Doppelhäusern erhalten wird, ist das eine gute Quote. Und durch den Wechsel des Investors sind die Verhandlungen offenbar viel leichter geworden. Mit dem neuen Partner und der mittlerweile existenten KiWoG als starker Interessenvertretung kann da vielleicht in Nachverhandlungen noch etwas mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen. Grundsatzbeschluss zieht bei neuen Planungen Richten wir nach diesen „Altplanungen“ unseren Blick auf die neueren Projekte, zeigt sich, dass wir unsere Politik durchsetzen können. Hier seien als Beispiel ein paar Bebauungspläne genannt: Der Aufstellungsbeschluss für den B-Plan „Torfmoorkamp“ sieht bei 800 bis 1000 Wohneinheiten 30 Prozent sozialen Wohnungsbau vor.Der Aufstellungsbeschluss für den B-Plan „Waldwiesenkreisel“ sieht bei 150 Wohneinheiten 30 Prozent sozialen Wohnungsbau vor.Der vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 1017 V-1 „Kap Horn Mischnutzung“ sieht 30 Prozent sozialen Wohnungsbau der Wohnfläche des Gesamtareals vor.Der Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan Nr. 1027 „Grönhorst“, Baugebiet Kiel-Meimersdorf, zwischen Bustorfer Weg, Grönhorst und Koppelsoll, verankert auch dort 30 Prozent der Wohnfläche als sozialen Wohnungsbau.Auf dem Posthofareal in Gaarden ist eine Quote von 30 Prozent sozial gefördertem Wohnraum durch städtebaulichen Vertrag fest verankert. Und was kommt noch auf uns zu? Wir werden bei zukünftigen Planungen wie z.B. Holtenau-Ost (dem ehemaligen MFG 5-Gelände) oder in der Marinetechnikschule in der Wik weiterhin die Quote von 30 Prozent sozialem Wohnraum fest verankern. Und wir werden die Planung auch auf Ihre Verträglichkeit bezüglich Anpassung an den Klimawandel, Erhalt von Grünstrukturen, Nachhaltigkeit beim Bauen oder Autofreiheit der Quartiere ständig überprüfen und dies politisch durchsetzen. Zudem werden wir grundsätzlich auch Bebauungspläne, die bereits in der Planung oder Vorbereitung sind, aktualisieren und unseren Zielen anpassen.